Das Elsass: Weinberge, hübsche Städte und viele Radtouren

17. September

Nach dem letzten geruhsamen Tag in den Ausläufern der Vogesen wollen wir das Elsass von Süden nach Norden weiter erkunden. Einen Gesamtüberblick über die bäuerlichen und dörflichen Gebäudetypen bietet das Ecomusée d´Alsace bei Ungersheim in der Nähe von Mülhausen. An diesem heißen Sonntag freuen wir uns über die großflächig mit Sonnenkollektoren bedeckten Parkplätze, die hoch genug sind, um Biene darunter im Schatten abzustellen. Zweifach haben wir Glück: Heute ist der Eintritt für jede 2. Person kostenlos, da der „Europäische Tag des offenen Denkmals“ gefeiert wird.

Blick durch den Zaun

Das Ecomusée ist mit knapp 80 Gebäuden das größte Freilichtmuseum Frankreichs. Leider sind in den wenigsten Häusern die originalen Einrichtungen vorhanden, sodass die Spuren früheren Wohnenss oftmals nicht mehr zu erkennen sind. Vielmehr hat man viele verschiedene Handwerksstätten in den Gebäuden untergebracht, um die alten Handwerksberufe wie Küfner, Barbier, Schuhmacher, Drechsler, Schmied, Töpfer und andere mehr zu zeigen. In einem der verschiedenen Viertel wird unter Anderem mit einem Sägewerk, einem Bahnhof und einem Arbeiterhaus die Industrialisierung des Elsass dargestellt.

Wir schlendern von Haus zu Haus und stärken uns in der Boulangerie mit Brot, Kuchen und Getränken. Nach der Mittagspause auf den Bänken des „Schulhofes“ erklimmen wir den Wohn-/Wehrturm und sehen einer elsässischen Tanzgruppe zu. 

Viele hübsche Details

Am späten Nachmittag kehren wir zum Camper zurück und übernachten hier mit etwa 20 anderen Wohnmobilisten, die in weiterer Entfernung stehen.

Tags darauf finden wir in Eguisheim, nur 28 Kilometer entfernt, am frühen Nachmittag den letzten freien von 40 Plätzen auf dem Wohnmobil- Stellplatz – der zuvor angefahrene Campingplatz war bereits ausgebucht. Was für eine Wohnmobil-Flut! Dicht an dicht stehen wir hier nun – für 20€ pro Nacht. Glücklicherweise sind die Nachbar*innen sehr ruhig und unaufdringlich.

Nachmittags bummeln wir durch das Städtchen und schauen uns begeistert die blumengeschmückten Gassen und Fachwerkhäuser an, die riesigen Torbögen, die zu den Weinkellern führen, und die zahlreichen Details an Fenstern und Eingängen. Insbesondere auch der Blumenschmuck, der jeden Eingang, jedes Geländer und viele Treppen dekoriert, fällt in Frankreich – nicht nur im Elsass – immer wieder auf.

Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, dass das nicht passiert, lasse ich mich zum Kauf eines Stückes vorzüglichen schmeckenden elsässer Käses verleiten – und bezahle 34€ für höchstens 300 Gramm. In den zahlreichen Weinhandlungen sind wir dann sehr zurückhaltend und kaufen erst einmal nur eine Flasche Cremant Pinot gris zum Testen. Der Test fällt überaus positiv aus…

Wir bleiben unserem Motto treu, die Umgebung mit den Fahrrädern genauer zu erkunden – bei diesem warmen sonnigen Herbstwetter kein Problem. Tags darauf radeln wir also zum Rhein. In der Ebene östlich von Eguisheim wird kein Wein mehr angebaut, sondern Mais – und wir fahren mitten durch die Maisernte. In riesigen Gitterbehältern werden hier die Maiskolben getrocknet.

In Neuf-Brisach machen wir Halt, um die Stadtanlage aus dem 18. Jahrhundert anzusehen. Die Stadt wurde als Planstadt in Form eines Achtecks mit einer sternförmigen Festungsmauer von Prestre de Vauban erbaut.  Damit war die Stadtanlage repräsentativ für die Militärarchitektur des Barock – wir können allerdings nur kleine Teile der Gesamtanlage überblicken, lediglich auf dem Plan erkennt man die sternförmige Gesamtanlage.

Am Canal du Colmar radeln wir zwischen Wasser und Feldern auf breiten, gut befahrbaren (Rad)wegen nach Colmar. Wie schon öfter stellen wir fest, dass Frankreich ein tolles Radfahrer*innen- Land ist.

Nachmittags schlendern wir durch Colmar. Das Altstadtbild ist geprägt durch gut erhaltene Fachwerkhäuser aus früheren Jahrhunderten, aber auch durch Steinhäuser der Jahrhundertwende um 1900. Viele der Fachwerkhäuser in der Altstadt sind (zu) kitschig geschmückt mit Gießkannen, Puppen und anderem Schnickschnack. Dabei wären sie auch ohne diesen Kitsch sehr schön!

Das Martinsmünster ist die Hauptkirche der Stadt, auf dem Münsterplatz genießen wir einen Kaffee und die spätsommerliche Wärme.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist das am Fluss liegende Viertel Krutenau, das auch Petite Venise genannt wird  – aber nicht mit Venedig zu vergleichen ist. Die Markthalle wurde 1865 erbaut und liegt hier am Fluss, angrenzend sind gut besuchte Cafés.

Am 20. September radeln wir hinauf durch die Weinberge in die Vogesen, um die Burgruinen und Schlösser anzuschauen und zu erklimmen – zumindest teilweise. Nahezu auf jedem Berg wurde im Mittelalter in dieser Gegend eines erbaut, heute sind die meisten Bauwerke verfallen, lediglich die Bergfriede und manchmal die Burgmauern wurden restauriert.

Auf den Mauern der „Trois Chateaux“ klettern wir herum, ebenso auf denen der Ruine Pflixbourg, die Hohlandsburg schauen wir nur von außen an. Danach geht es durch das Tal der Fecht nach Munster. Ein toller Radweg, immer asphaltiert führt er durch Wiesen, Wald und Felder. Die Stadt Munster enttäuscht, hier verläuft die stark befahrene Hauptstraße durch die uninteressante Stadt.

Länger als gedacht sind wir auf dem überlaufenen Stellplatz Eguisheim geblieben, am nächsten Tag besuchen wir einen Campingplatz etwas höher in den Vogesen gelegen und absolut ruhig und wenig frequentiert, in Freland, auf einer Höhe von 700 Metern und 8 Kilometer von Kaysersberg gelegen. Kalt wird es hier nachts, und morgens vermissen wir eine funktionierende Heizung. Tagsüber wärmen die vereinzelten Sonnenstrahlen an diesen Tagen Biene jedoch schnell auf, und wem immer noch zu kalt ist, der läuft ins 1,6 Kilometer entfernte Dorf und kauft Baguette.

Zwei Nächte bleiben wir, dann zieht es uns wieder ins Tal, nur acht Kilometer weiter, nach Kaysersberg. Das freie Stehen ist in dieser Gegend wegen der Geländebeschaffenheit und der zahlreichen Touristen schwierig und bei Preisen von 14€ für einen Campingplatz auch nicht notwendig oder sinnvoll. Also beziehen wir auch in Kaysersberg einen Campingplatz; wir ergattern einen der letzten freien Plätze.

Zu Fuß erkunden wir den Ort und die Burg. Viele Touristen sind auch hier, der Blick von der Burg auf die Weinberge ringsum und die Wälder der Vogesen sowie die Stadt selbst sind auf jeden Fall einen Besuch wert.

Blick auf Burg Kaysersberg

23. September

Die erste Tour in die Umgebung führt uns durch die Weinberge und über einen großen Umweg durch die Wälder der Vogesen nach Ribeauville. Der Radweg Veloroute du Vignoble ist ein Traum, immer mehr als zwei Meter breit, asphaltiert und leicht hügelig angelegt. Die Weinlese hat eingesetzt, und außer den kleinen Traktoren und Arbeitsfahrzeugen sowie Radfahrer*innen darf niemand anderes diese Wege nutzen.

Das Städtchen Ribeauville zeichnet sich durch zahlreiche Häuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert aus, der Metzgerturm und die Pfarrkirche stammen aus dem 13. Jahrhundert. Das Städtchen hat ein angenehmes Flair; wir schieben die Räder durch die Gassen und staunen über die teils kitschig geschmückten Fachwerkhäuser.

Zurück geht es unter tief hängenden, dunklen Wolken, aber trockenen Hauptes nach Kaysersberg.

Auf dem Campingsplatz Kaysersberg

Am nächsten Tag scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Die Sonntagsradtour führt über St. Hippolyte, einem Ort zwischen Weinbergen und Vogesenwald, wo wir Rast am Dorfplatz machen und einer tollen Band beim sonntäglichen Konzert lauschen dürfen.

Da oben wollen wir hinauf…

Viele hundert Meter aufwärts geht es anschließend bis zur Haut-Koenigsburg auf fast 800 Metern Höhe. Diese ursprünglich mittelalterliche Burg ist Anfang des 20. Jahrhunderts durch Kaiser Wilhelm II von dem Berlinder Burgenforscher Bodo Ebhardt komplett restauriert bzw. in deutschtümelnder Manier neu aufgebaut worden. Dabei wurden die modernsten Techniken der damaligen Zeit genutzt – in der Burg gibt es hierzu eine interessante Ausstellung.

Nach diesem Wiederaufbau kann man durchaus noch die über Jahrhunderte gewachsene Anlage erkennen. Wir bestaunen die riesigen Ausmaße sind beeindruckt von dem vielteiligen, durch etliche Türme, Treppen und Gemächer geprägten Bau.

Die Decke des repräsentativen Festsaals ziert der deutsche Adler.

Natürlich ist der Ausblick von dieser Anhöhe phänomenal.

Auf dem Rückweg nach Kaysersberg besuchen wir eine weitere kleine Schönheit des Elsass, das Städtchen Riquewihr. Wie Ribeauville beeindruckt auch dieses Städtchen an der Elsässer Weinstraße durch sein unversehrt erhaltenes Stadtbild, das eine gut erhaltene Befestigungsanlage, spätmittelalterliche Steinhäuser und viele bunte Fachwerkhäuser aufweist. Auch hier sind die Häuser teils kitschig mit allerlei Tand geschmückt, schade, denn sie sind allein wegen ihrer Bauweise, ihres farbenfrohen Anstrichs und des Blumenschmucks schon eine Augenweide. Lediglich die Idee, den Besuch auf Sonntags während der Weinlese zu legen, ist vielleicht nicht die beste – die Menschen laufen dicht gedrängt durch die Gassen.

Durch den oberen Stadtturm Dolder verlassen wir den Ort und radeln zurück nach Kaysersberg. Am Campingplatz erwartet uns eine Überraschung: Hinter unserer Biene steht ein weiterer OMAN!

Wir lernen Gordon und Kerstin kennen und verbringen einen lebendigen, unterhaltsamen langen Abend zusammen. Im Oman kann man, wenn es abends kalt wird, sogar zu Viert am Tisch sitzen!

27. September

Am folgenden Tag geht es nach den üblichen Hausaufgaben wie Wasser ablassen und tanken nur 30 Kilometer weiter nach Norden, nach Barr. Auch hier bleiben wir auf dem örtlichen kleinen Campingplatz, direkt neben einem Schulhof, von dem wir in den Pausen das Spiel der Kinder hören.

Von hier aus machen wir eine erste Radtour auf den Mont Sainte Odile, wieder einmal mit vielen Höhenmetern bergauf, zunächst durch die Weinberge, dann durch den lichten Mischwald bis zu der alten Klosteranlage Hohenburg auf 763m Höhe.

Hohe Buntsandsteinfelsen säumen das letzte Wegstück, die größten haben sogar Namen.

Hoch oben thront die Klosteranlage, die für Odilia, eine Tochter des Herzogs Eticho, bereits im 7. Jahrhundert erbaut wurde.  Unterschiedliche Geschichten ranken sich um die Gründung. Nach der französischen Revolution war die Anlage schwer beschädigt, wurde von Franziskanerinnen übernommen und als Wallfahrtsort wiederbelebt. Heute beherbergt die große Anlage neben dem Kloster einen Hotelbetrieb, außerdem werden dort kirchliche Seminare durchgeführt. Wir besichtigen den Innenhof und die Außenanlagen, kaufen einen klösterlichen Lebkuchen zum mitgebrachten Käse (brrr), und bestaunen die komplizierte Sonnenuhr aus dem 18. Jahrhundert, die neben der babylonischen und der antiken auch noch verschiedene Zeiten aus verschiedenen Weltregionen anzeigt.

Der Blick schweift weit ins Tal über die Oberrheinebene bis zum Schwarzwald – leider ist es heute zu dunstig, um viel sehen zu können.

Über gut ausgebaute breite Radwege führt die Runde weiter in großem Bogen nach Obernai. Wie schon zuvor ist die Landschaft in der Ebene, hin zum Rhein, nicht mehr so idyllisch und kleinteilig, und erst mit Obernai kommen wir wieder in die Weinberge und in die hügelige, malerische und beschauliche Kulisse des Elsass.

Obernai, ein Städtchen mit 12.000 Einwohnern, wurde im 13. Jahrhundert erstmalig erwähnt und war bis zum 30jährigen Krieg selbständige Reichsstadt im Heiligen Römischen Reich. Ihre Blüte erlebte die Stadt im 16. Jahrhundert, und aufgrund der wechselvollen Geschichte gehörte auch diese Stadt mal zu Frankreich, mal zum Deutschen Reich.

Uns beeindruckt Obernai durch die gut erhaltenen Gebäude. Teils Fachwerkhäuser, aber auch etliche große bedeutende Häuser aus Stein sind unversehrt oder gut restauriert, ohne, wie in den kleineren Städtchen, verkitscht worden zu sein.

Am Marktplatz steht die zum Restaurant umgebaute ehemalige Kornhalle von 1554, schräg gegenüber der 60m hohe Kapellturm, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert.

Marktplatz

Das Rathaus am Markt ist ein beeindruckend schönes Renaissancegebäude, auch dieses Gebäude ist im 16. Jahrhundert erbaut worden.

Zwischen 1867 und 1872 wurde die neugotische St. Peter- und- Paul-Kathedrale errichtet. Sie ist eines der größten neugotischen  Gotteshäuser im Elsass. Chor, Vierung und die Decke sind aufwändig gestaltet, die Fenster, die Kanzel und die Orgel sind bemerkenswert.

27. September

Von Barr aus radeln wir eine letzte Runde durch die Weinberge und die Ebenen des Elsass nach Selestat. Selestat ist die größte der von uns besuchten Städte im Elsass und besitzt nicht den Charme der kleineren Orte, wenn es auch hier sehenswerte Bauten und Gassen gibt. Besonders bemerkenswert sind der Uhrenturm, die romanische Kirche Sainte Foy und die Kirche Saint-Georges, die größte existierende Humanistenbibliothek und die ehemalige Speicherkammer der Stadt.

Bevor wir uns aus der Weinregion Elsass verabschieden, kaufen wir noch einige Flaschen Crémant und Wein – schade, dass nicht mehr Platz in Biene ist!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert