Von Omis bis in die Bucht von Kotor

In der Nacht auf den 12. Oktober stürmt die Bora mit Macht, so dass ich Angst habe, dass die Äste der Pinien über Biene abbrechen oder das rostige Schild daneben abbricht und auf unser Auto fällt. Biene wackelt bei jeder Böe stärker, der Wind heult und tobt. Freunde flüchten noch in der Nacht von ihrem Platz in der Sorge, dass ihr Wohnwagen umgeweht wird. Wir verlassen den Platz beim Hellwerden.

Um dem Starkwind zu entgehen, wählen wir einen Weg, der hinter der ersten Bergkette entlang führt. Von Omis fahren wir am Fluss Cetina entlang, in vielen Kehren hinauf und wieder herunter, bis Zadvarge. Auf dem Markt verbrauchen wir unsere allerletzen Kuna für etwas Obst und ein neues Messer, dann geht es wieder zur Küste hinunter. Der Wind hat sich gelegt – oder wir sind der windigsten Ecke entflohen.

Die wunderschöne Makaraska- Küste entlang geht es bis kurz vor Ploce. Hier suchen wir den Stellplatz Bacinska Jezera auf, in einem paradiesischen Obstgarten mit reifen Granatäpfeln und und fast reifen Feigen gelegen, in dem einige schwarze Kaninchen frei herumhoppeln – allerdings gibt es nur eine eiskalte Dusche.

Nach einem kurzen Spaziergang und einer erholsamen Nacht müssen wir morgens erst einmal eine Waschmaschine voller Wäsche waschen, dann packen wir die Satteltaschen für eine Radtour um das Seengebiet und weiter hinauf in die Berge Richtung Bosnien.

Über eine geschotterte Straße radeln wir zunächst um den kleinen See; die Zuflüsse sprudeln und die Wiesen stehen unter Wasser. Weiter geht es über gut asphaltierte, schmale und wenig befahrene Straßen in eine bergige, einsame, kaum bewohnte, felsige Gegend. Zweimal kreuzen wir die Autobahn, die sich hier, EU- gefördert, durch die Berge frisst. Was für ein Riesenprojekt!

Später radeln wir einige Kilometer durch das Neredva- Delta bis nach Ploce. Es geht an Seen, Kanälen und ausgedehnten Schilffeldern entlang. Ein Mann erzählt mir, dass es sieben Monate nicht geregnet habe, in den letzten Tagen aber über 80l/ Quadratmeter. Überall rauscht das Wasser durch die Zuflüsse und Kanäle.

Das Radfahren in Kroatien ist auf Hauptstraßen nichts für Feiglinge: LKWs und Busse haben grundsätzlich jederzeit das Recht, dich zu überholen – auch bei Gegenverkehr und in unübersichtlichen Kurven. Da steigt man lieber mal schnell am Rand ab oder fährt einen großen Umweg über kleine Nebenstraßen, bevor man im Graben landet (wenn es nur ein Graben ist)!

In Ploce muss ich Geld holen, jeder Bankomat möchte 10% Provision und dazu noch drei oder vier € Bearbeitungsgebühr. Ärgerlich, aber wir brauchen noch einige Kuna, und der Euro hat Kroatien noch nicht erreicht. Also muss ich wohl oder übel der Bank dieses Geld überlassen! Anschließend radeln wir zurück zur Biene, packen noch die getrocknete Wäsche ein und kochen uns etwas Leckeres.

14. Oktober

Nach der etwas beengten Frühgymnastik in Biene, dem Wassertanken und Räder aufladen verlassen wir den Stellplatz und umrunden mit Biene das Neretva- Delta.

Wir wollen nach Trsteno, hier waren wir schon einmal 2018, und der Ort hat uns so gut gefallen, dass wir ihn noch einmal besuchen. Die Treppen und Häuschen den Berg hinunter mit ihren verwinkelten Ecken und bewachsenen Mäuerchen sind wunderschön, und der Garten des Arboretum, in dem einst Teile von Game of Thrones gedreht wurden, ist immer noch verwunschen.

Unten in der Bucht liegt der kleine Hafen, von dem es durch ein Tor wieder den Berg hinauf geht. Wir entdecken eine mystisch wirkende Villa aus dem Beginn des vergangenen Jahrhunderts, Villa Nardelli. Sie verfällt seit etwa 1980, da die Besitzrechte nicht geklärt sind. Letztendlich ist sie im Jugoslawien- Krieg zerstört worden, außen aber noch (mindestens) einmal renoviert worden. Innen dagegen ist sie völlig zerstört und ausgeplündert, ein Jammer! Auch das große, terrassiert angelegte Grundstück, das von jeder Stelle Meerblick bietet, ist verwildert und zugewachsen. Man munkelt, dass Dorfbewohner es meiden aufgrund der Geister, die dort hausen.

Nach dem Zwischenstopp machen wir noch einmal Halt in Cavtad – Dubrovnik sehen wir nur im Vorüberfahren von oben.

Cavtad ist eine kleine Hafenstadt mit südländischem Flair. Hier tummeln sich offenbar die Reichen und Schönen. Große Privatyachten ankern hier, und auf der Promenade spazieren Frauen im Pelz bei 20 Grad und herausgeputzte Männer. Überall gibt es Cafés und Restaurants, alles wirkt noch sommerlich und bunt. Die Parkgebühren betragen für eine Stunde 5 €, und so machen wir uns nach dieser Stunde wieder davon und suchen uns einen Schlafplatz in den Bergen kurz vor der Grenze zu Montenegro.

15. Oktober

Wie bisher immer ist der Grenzübertritt problemlos, lediglich die Personalausweise werden kontrolliert. In Herceg Novi finden wir einen Parkplatz am Rand der Altstadt für 4€ am Tag – ohne Navigation, denn die Mobilen Daten bleiben ausgeschaltet, bis wir eine SIM- Karte für Montenegro erstanden haben.

Wir erwandern die Stadt, die ihr ganz eigenes Flair hat: Eine bunte Mischung aus Alt und Neu. Die alte Festung Forte Mare, viele schmale Gassen, moderne Geschäfte mit internationaler Mode, Häuser aus der k&k – Monarchie neben vernachlässigten moderneren Bauten. Die vielen kleinen Plätze, auf denen man sitzen und Kaffee trinken oder etwas essen kann, schaffen eine gute Atmosphäre. Nicht zu vergessen die Bäckereien, die die leckersten Cremekuchen anbieten und sogar Vollkorn- Körnerbrot verkaufen!

Kirche Hercega Stjepana mit Platz
Uhrenturm

Wir frühstücken ein montenegrinisches Frühstück aus Omelette, Käse- Schinken- Toasts und zwei Kaffee für 9€ und erstehen eine SIM- Karte mit 500 GB für 15€. So preiswert kann das Leben sein!

Da die Stadt terrassenförmig angelegt ist, bietet sich auch hier immer wieder ein Blick auf die äußere Bucht von Kotor.

Nachmittags wandern wir zur spanischen Festung, die hoch über der Stadt thront. Auf dem Weg gibt es interessante Bauwerke zu bestaunen, die Festung selbst ist eine Ruine, die wir erklimmen und durchstöbern. Überall laufen Katzen herum, die um etwas zu Essen betteln.

Später am Nachmittag setzen wir unseren Weg fort und landen schließlich auf dem Stellplatz Dule in der inneren Bucht von Kotor. Zwischen Straße und Wasser befindet sich eine Wiese, auf der wir heute Abend die einzigen Camper sind. Von irgendwoher kommt ein junger Mann, der uns die Gebühr abnimmt, und wir richten uns für zwei Nächte ein.

Blick vom Stellplatz am Abend in einen Teil der Bucht

In der Nacht rauschen etliche Fahrzeuge im Hintergrund auf der Straße vorbei, und ich befürchte eine nervenaufreibende Radtour für den nächsten Tag angesichts der LKW- und Bus- Fahrgeräusche. Der nächtliche Wind legt sich gegen Morgen, und ein sonniger Tag erwartet uns.

16. Oktober

Die Schönheit der Bucht und die unzähligen, immer noch besseren Ausblicke über das Wasser mit den sich majestätisch erhebenden Bergen des Orjen- Massivs ringsum machen den Fahrstress durch hupende und drängelnde, auch bei Gegenverkehr überholende Autos fast vergessen. Beide fahren wir außer mit Helm auch mit Licht und Warnweste und sind so wenigstens nicht zu übersehen. Tom fährt hinter mir her, fast auf der Spurmitte, sodass drängelnde Fahrzeuge nicht vorbeikommen, wenn Gegenverkehr herrscht. Bei Perast können wir glücklicherweise auf eine kleine Parallelstraße ausweichen, so dass andere Fahrzeuge uns kaum noch behelligen.

In Kotor bestaunen wir die lange Festungsmauer und die Stadt nur von außen, heute liegt unser Schwerpunkt auf Natur und Landschaft. Und die ist wirklich grandios! Um die Stadt zu erkunden, wollen wir noch einmal hierher kommen.

Blick auf Perast

Auf der Südseite der Bucht, hinter Kotor, wird die Straße schmal und wenig befahren, ein Glück. So können wir unbehelligt das letzte Drittel der Tour genießen.

Die Fähre an der engsten Stelle der Bucht bringt uns wieder auf die richtige Seite. Der Ausflug hat sich, trotz des anfänglichen Stresses, mehr als gelohnt – vor einer solch grandiosen Kulisse bin ich (fast?) noch nie Rad gefahren.

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