Von Leonidio über das Parnon-Gebirge nach Nafplio

6. November

Nach der Fahrt an der wunderschönen Küste entlang vom Schakalstrand nach Süden kommen wir nachmittags in Leonidio an. Die typischen roten Felsen leuchten schon von Weitem. Mit Herzklopfen schlängeln wir uns durch die engen Straßen zum Campingplatz Semeli, den wir vom letztjährigen Aufenthalt kennen.

Angekommen in meiner zweitliebsten Stadt – naja, es ist ein Dorf mit einer langen Hauptstraße – mit dieser speziellen angenehmen Atmosphäre und dem Kletterparadies auf dem Peloponnes!

Über den kleinen Markt radeln wir am nächsten Tag über die Hauptstraße den Berg hinauf Richtung Vascina, einem Gebirgsdorf nordwestlich und hoch über Leonidio. In vielen anstrengenden Serpentinen führt die Straße steil bergauf bis auf die Hochebene. Von hier oben können wir bis auf den „Daumen“ und die Insel Spetses hinüber blicken.

Am 8. November wollen wir zur Abwechslung nicht in die Berge, sondern auf der Küstenstraße mit den sagenhaften Ausblicken nach Norden radeln. In Livadi und Tyros nehmen wir den Weg direkt an der Bucht entlang, ansonsten fahren wir über die Hauptverbindungsstraße, wo erstaunlich wenig Autoverkehr herrscht. Höhenmeter erradeln wir auf dieser Route allerdings ebenso viele wie auf der gestrigen Gebirgstour, denn es geht ständig auf und ab!

Von Weitem kann man schon die drei Windmühlenstümpfe bei Tyros erblicken. Wir radeln durch den kleinen touristischen Küstenort, dann wieder auf die Hauptstraße, und drehen nach 25 Kilometern um, damit die Akkus noch reichen.

Auf dem Rückweg erkunden wir, in Leonidio wieder angekommen, das fruchtbare Schwemmlandgebiet zwischen Stadt und Strand. Wie in einem Labyrinth durchziehen unzählige Wege zwischen den Feldern und Treibhäusern das Gebiet; hier wachsen Orangen- und Zitronenbäume, viele Kohl- und Salatpflanzen und vor Allem zu dieser Zeit Auberginen in allen möglichen Farbschattierungen. Wir benötigen eine Weile, um aus diesem Lehmgassengewirr herauszufinden und am Campingplatz anzukommen.

Abends gehen wir in einer Taverne am Hafen Plaka in der Nähe des CP essen und werden bitter enttäuscht: zähes Fleisch, einfallslose Beilagen. Wie schade!

Bevor wir am nächsten Tag diese kleine Stadt, in der sich besonders zu dieser Jahreszeit viele Kletterer aus ganz Europa einfinden, verlassen, machen wir noch einen Stadtbummel.

9. November

Von Leonidio aus fahren wir über Amygdalea und Pigadi in die Fokiano- Bucht. Die Straße ist schmal, kurvig und nahezu autoleer und bietet, wie fast alle Straßen auf dem Peloponnes, wieder grandiose Aussichten.

Die Bucht liegt einsam und verlassen im Nirgendwo, lediglich eine Bar gibt es hier, die tatsächlich noch geöffnet hat, und zwei oder drei Wohnhäuser. Außerdem stehen drei Campingbusse – jeweils mit weitem Abstand – am Strand. Wir schwatzen bei einem Wein mit einem jungen, sympathischen Paar aus Süddeutschland, kochen – wie fast immer – etwas Leckeres und machen noch einen kleinen Spaziergang in die Bucht mit einigen wenigen Fischerbooten und einem mückenverseuchten Brackwassersee. Lieber als draußen zwischen den Mückenschwärmen sitzen wir also in unserer Biene und gehen früh schlafen – schließlich wird es schon um 19 Uhr dunkel.

Von Fokiano aus führt die Küstenstraße, die noch in keiner unserer Karten verzeichnet ist, weiter bis nach Mitropoli und Kiparissi, wo wir diese Verbindung im letzten Jahr entdeckt haben und einige Kilometer begeistert entlang geradelt sind. Sie ist in den Fels gehauen und als rot-beige Linie schon von Weitem gut zu erkennen, europastraßenbreit und komfortabel asphaltiert. Da die neue Straße auch am „anderen Ende“ in Mitropoli nur über eine sehr schmale Straße, die kaum von größeren Fahrzeugen befahren werden kann, an ein Verkehrsnetz angebunden ist, vermuten wir, dass sie immer noch kaum von Autos befahren ist.

Wir liegen mit dieser Vermutung richtig und radeln am nächsten Tag ohne Autoverkehr über den neuen Asphalt an der Küste entlang.

an der neuen Küstenstraße

Nach 18 Kilometern hat Toms Hinterrad erneut einen Platten. Er trägt es mit Fassung, während ich noch die verbleibenden sieben Kilometer bis Mitropoli und wieder zurück radle.

Auf dem Rückweg tauschen wir, und während ich mir an der Küste bei dem defekten Rad die Zeit vertreibe, holt Tom mit meinem Fahrrad den Camper. Bei einem kleinen Spaziergang entdecke ich die Schönheit der Gewächse zwischen den Felsen und Schotterbrocken am Straßenrand.

Nachdem beide Fahrräder wieder aufgeladen sind, übernachten wir auf einem ebenen Platz direkt an der Küstenstraße in vollkommener Einsamkeit, nur der Blutmond bescheint uns.

Wir beschließen, in den nächsten Tagen erst einmal ins Parnon- Gebirge zu fahren und anschließend das Rad in Nafplio reparieren zu lassen.

Am 11. November fahren wir schließlich über Kiparissi weiter Richtung Geraki. Den ersten Teil der Strecke kennen wir vom Heiligabend des letzten Jahres (siehe https://biene-on-tour.de/zwei-besondere-staedtchen-leonidio-und-monemvasia/), der zweite Teil ist neu für uns. Schon nach gut 30 Kilometern taucht Geraki vor uns auf, wie eine spanische Stadt auf einem Kegelberg in der Ebene.

Geraki

Die Festung Geraki liegt einige Kilometer vor der kleinen Stadt Geraki auf einem Hügel in etwa 400m Höhe an den südöstlichen Hängen des Parnon- Gebirges. Sie wurde im 13. Jahrhundert erbaut und war zu fränkischer Zeit eine bedeutende Festung, unterhalb derer sich eine Stadt mit etwa 2000 Menschen entwickelte. Heute ist sie in Teilen restauriert, insbesondere einige der insgesamt zehn Kirchen sind zu besichtigen. Die Fresken innerhalb dieser Kirchen sind noch zum Teil erhalten und restauriert worden.

Eine freundliche Führerin führt uns hinauf in die Festung und erzählt noch ein wenig zu  den Bauwerken, sodass man sich anhand der Grundmauern Wohnhäuser und Zisternen mit etwas Fantasie gut vorstellen kann.

Agia-Paraskivi-Kirche

Nach der ausführlichen Besichtigung geht die Fahrt für uns weiter, hoch hinauf ins Parnon- Gebirge. Polidroso lassen wir unten in einer Schlucht liegen, angestrahlt von der Sonne, die inmitten der hohen Tannen und Kiefern nur noch selten durchdringt.

Hier fährt an diesem Nachmittag außer unserem praktisch kein anderes Auto mehr, die Hinweisschilder sind häufig bis zur Unleserlichkeit verwaschen, der dichte Nadelwald und aufziehende Regenwolken verdunkeln die Sicht – es wird ein wenig unheimlich. Eine Internetverbindung ist nun bis kurz vor Astros nicht mehr vorhanden. Gut, dass ich ein wenig gelernt habe, die griechischen, in diesem Falle interpretationsfähigen Straßenschilder zu lesen und dass wir eine Landkarte dabei haben! So finden wir den Weg, bis es zu dunkel wird, und übernachten auf 1500m Höhe auf einem Waldparkplatz im Naturschutzgebiet vor Kastanitsa.

Am Morgen nieselt es, wir wachen in den Wolken auf. Seit etwa einem Monat ist das der erste Morgen ohne Sonne, und es wird auch im Laufe des Vormittags hier oben nicht wärmer als 10 Grad. Dennoch wagen wir einen kleinen Rundgang durch das nächste Bergdorf, Kastanitsa, am Fuße des Megali Tourla, dem mit fast 2000m höchsten Berg des Parnongebirges, gelegen. Das Dorf wirkt im Wolkennebel und an den steilen Hängen einer Schlucht gebaut wie aus einer anderen Welt. Die Dächer sind vielfach mit brüchigen unregelmäßigen Steinplatten belegt, über die schmalen Wege kommen nur die Mopedfahrer und Fußgängerinnen, am Dorfanfang ist ein Parkplatz für alle Autos des Dorfes.

Auf der Fahrt aus dem Gebirge nach Astros hinunter lichtet sich der Nebel ein wenig. Man kann die geschwungene Linie des in die Felslandschaft gehauenen, schmalen, am Rand abgerissenen und durchlöcherten Fahrweges erkennen. Verrückte Gesteinsformen variieren hier in allen möglichen Herbstfarben. Da fällt unsere Biene farblich gar nicht auf!

Am frühen Abend kommen wir in Nafplion an. Diese wunderschöne kleine Stadt haben wir schon im letzten Jahr kennen und schätzen gelernt. Sie ist die ehemalige Hauptstadt Griechenlands, und wir wollen sie ein weiteres Mal besuchen.

Wir parken auf dem großen Parkplatz am Hafen. Es ist Samstag, die Palamidi-Festungsanlage ist schon hell erleuchtet, und die Stadtgeräusche mit Musik, Stimmengewirr, Türenschlagen und Motoren nehmen erst gegen 5 Uhr früh ein Ende. An einem Samstag sollte man sich vielleicht besser für einen anderen Nachtplatz entscheiden?!

Früh am Morgen des 13. November lichtet sich die Wolkendecke langsam. Ich laufe durch die verwinkelten Gassen hinauf auf die Akronauplia- Festung auf der kleinen Halbinsel. Da sie deutlich niedriger liegt als die Palamidi- Festung, ist sie schnell erklommen.

Palamidi- Festung von der Akronauplia-Anlage aus

Hier finden sich nur noch Reste der Burgen von Franken, Griechen und Venezianern– und letztendlich auch Reste der Hotelburgen der 70er- Jahre und später, die alles überschatten…

ehemalige Hotelburg auf der Akronauplia

Bei einem Bummel durch die Stadt schaue ich mir später die hübschen Läden mit hiesigen Kräuter-, Öl- und Honigprodukten an, Läden mit Kitsch, aber auch mit handwerklich schön gearbeitetem Schmuck und Accessoires. Die Gassen sind farbenfroh, bunt mit Bougainvilleen und anderen südlichen Bäumen und Büschen bepflanzt und es herrscht lebhaftes Treiben. Es macht Spaß zu schlendern, die Cafe- und Tavernendichte ist enorm. In der Kirche Agios Georgios sind die Türen während eines Gottesdienstes geöffnet, so dass ich eine Weile den liturgischen Gesängen lauschen kann.

Wenn ich den Blick nach oben wende, bekomme ich manchmal Bedenken im Angesicht der Balkone….

Natürlich steht auch der obligatorische Aufstieg auf die Palamidi- Festung noch auf dem Plan. Heute zähle ich: Es sind wirklich knapp 1000 Stufen bis oben. Von der riesigen Burganlage, die aus acht Forts besteht und erst im 18. Jahrhundert erbaut wurde, hat man einen wirklich großartigen Blick über Nafplion und Umgebung.

Während wir im letzten Jahr unter Corona- Bedingungen hier in Nafplio nicht essen gehen konnten, hoffen wir am Abend auf ein leckeres griechisches Abendessen. Nach der letzten Enttäuschung haben wir Glück und essen vorzüglich in einer der vielen Tavernen – draußen bei etwa 20 Grad.

Nach zwei Tagen und Nächten in Nafplio bleibt uns am Montag noch, die Wäsche waschen zu lassen und Toms Fahrrad zur Reparatur zu bringen. Beides klappt wunderbar, innerhalb von drei Stunden ist die Wäsche gewaschen, getrocknet und gebügelt, und der Fahrradreifen hat ein neues Felgenband erhalten, ist geflickt und gerichtet.

So können wir nachmittags weiterfahren Richtung Osten.

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