Von der Tara nach Budva

Wie von den Wetterdiensten angekündigt verschlechtert sich das Wetter, der Tag wird grau, und wir nutzen ihn, um wieder an die Küste zu fahren. An einer Schlucht des Flusses Moraca halten wir an und schauen in die Tiefe.

Die Moraca fließt durch die Hauptstadt Montenegros, Podgorica, und wir folgen ihrem Lauf. Hoch über uns führt die neue Autobahn durchs Gebirge – ein monströses Bauwerk, das die Landschaft durchschneidet und noch lange nicht fertig sein wird. Ein umstrittenes Projekt, für welches sich Montenegro bisher mit 944Mio Euro beim chinesischen Staat verschuldet hat. Wie das Geld zurück gezahlt werden soll, weiß noch niemand. (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=GmfvKOXFkU0)

Wie sehen die Unterkünfte der chinesischen Arbeiter, mit Schriftzeichen bemalt, und fragen uns, ob eines Tages (oder schon sehr bald?) Teile Montenegros den Chinesen gehören werden.

In Podgorica laufen wir duch die Stadt, die nichts Besonderes zu bieten hat. Wir parken direkt an der Milleniums- Brücke, die die älteren Stadtteile von den neueren trennt. Sie ist wohl das bekannteste Bauwerk hier, und so schlendern wir ohne konkretes Ziel durch die stark befahrenen Straßen – nur wenige Abschnitte sind autofrei. Jedes dritte Geschäft ist ein Schuhgeschäft, wobei die Schuhe hier gegenüber anderen Waren sehr teuer sind. Uns fällt auf, dass es hier in der Stadt, und in Montenegro überhaupt, sehr viele ungewohnt große Menschen gibt – Männer wie Frauen.

Vor dem Gebäude der Stadtverwaltung liegen große Christbaumkugeln – noch, oder schon?

Am Nachmittag fahren wir weiter über die M2.3, wieder bergauf und durch die Küstengebirge zwischen Podgorica, Cetinje und Budva. Alles ist grau in grau, ab 500 Metern Höhe fahren wir in den Wolken. Ich beginne zum wiederholten Male auf unserer Reise, die Gedenktafeln und Blumengestecke für all die auf der Straße Verstorbenen zu zählen. Es werden wohl über fünfzig Menschen sein, derer auf dieser Strecke gedacht wird. Es erstaunt nicht, dass auf den Straßen in Montenegro so viele Menschen ums Leben kommen. Montenegriner überholen direkt vor uneinsehbaren Kurven, bei Gegenverkehr, bei absolutem Überholverbot. Hauptsache, ich zeige den anderen, dass ich schneller bin, lautet die Devise. Kommt einem ein Auto auf der eigenen Spur entgegen, muss man eben bremsen. An eine solch „gewagte“ Fahrweise muss man sich erst gewöhnen, um nicht immer wieder Angstschweißausbrüche zu haben.

Budva ist von oben gegen die durch die Wolken schimmernden Sonnenstrahlen nur im Dunst zu erkennen. Wir fahren hinab, um dann in einer kleinen Bucht westlich der Stadt eine ruhige Nacht zu verbringen.

Der nächste Tag ist wolkenverhangen, aber warm, und wir faulenzen am Wasser und in Biene. Nachmittags ziehen wir um an die nächstgelegene Landspitze, den Strand von Ploce. Ein sehr weitläufiger Beton- und Felsstrand ist hier erstellt worden, um all den Sommertouristen eine Möglichkeit zum Sonnen und Baden zu geben. Im Sommer wohl ein Haupt- Badestrand, ist er nun fast verlassen, aber gepflegt und sauberer als die Bucht von Trsteno. Der Strandwächter erlaubt uns, hier über Nacht zu bleiben, und wir spazieren bis zum Gewitter am Meeresrand.

Abends regnet es wie aus Eimern, die Fenster unserer Biene sind eine einzige Wasserfläche, Schlammflüsse fließen einige Meter weiter den Berg hinab. Am nächsten Morgen scheint die Sonne, und der Himmel zeigt sich von seiner blauesten Seite. Dann kann es ja wieder einmal losgehen!

Wir starten eine Radtour, die uns über schmale, gut asphalierte Straßen am Bergrücken entlang bis zur Bucht, in der der Flughafen Tivat liegt, führt.

Es geht zunächst nahe der Küste steil bergauf. Hier werden viele Ferien- und Appartmenthäuser neu gebaut, ebenso viele sind ehrgeizig begonnen, aber nicht vollendet worden, und stehen nun als Baustelle zum Verkauf. Ein Mann erzählt uns, er habe sein Haus vor vielen Jahren für 360.000€ gekauft, nun will er es für 250.000€ wieder loswerden. Die alten dörflichen Strukturen sind hier nur noch selten zu erkennen.

Von überall hat man Sicht auf das Meer. Weiter Richtung Nordwesten kann man bald die Bucht vor Tivat erkennen.

Vor dem Flughafen Tivat radeln wir ins Tal und kreuzen die Hauptverkehrsstraße E65, dann geht es auf der nordöstlichen Seite des Tals wieder bergauf. Hier hat sich die Ursprünglichkeit der Dörfer mit ihren kleinen Kirchen, mit den weinbewachsenen Steinhäusern, den Gärten mit Kohl und Zwiebeln und den mühsam aufgeschichteten Steinmauern erhalten.

Eine neue, noch nicht eröffnete Straße führt, nachdem wir das Tal noch einmal durchkreuzt haben, zur Bucht von Jaz bei Budva. Auf der Straße sehen wir mehrere Panzerschleichen, leider lebt nur noch eine, die sich blitzschnell davonschlängelt.

Vom Berg aus werfen wir noch einmal einen Blick auf die Landzipfel vor Budva mit der Insel Sveti Nikola.

Abends verabschieden wir uns von diesem ruhigen Platz und fahren auf den heruntergekommenen Campingplatz direkt in der Stadt Budva, da wir Wäsche waschen müssen und uns auf eine heiße Dusche freuen. Außerdem wollen wir morgen die Altstadt von Budva besichtigen.

Das Wäsche waschen ist auf dem Campingplatz nicht möglich, weswegen der Weg mit dem dicken Wäschebeutel am darauf folgenden Tag erst einmal in eine Wäscherei führt, in der wir zwar 15€ lassen müssen, aber am Nachmittag die saubere, trockene und ordentlich zusammengelegte Wäsche wieder mitnehmen können. Zuvor gilt es, Biene unversehrt durch den etwas chaotischen Verkehr und vor Allem durch die zahlreichen Baustellen und zugeparkten Gassen auf einen Parkplatz zu lenken. Tom gelingt das perfekt.

Die Stadt scheint aus unendlich vielen Hotelbaustellen zu bestehen, an manchen wird herumgewerkelt, Kräne bewegen sich über unseren Köpfen, Baumaschinen lärmen, andere Baustellen liegen brach, und überall sind Schotterflächen und Zäune. Wie ein Touristenparadies wirkt hier nichts – ob das im Sommer anders ist? Die Promenade ist eine lange, laute und oft dreckige Souvenir- und Fressmeile, die Gerichte kosten genauso viel wie in Deutschland, einen Espresso gibt es für 3,60€. Den hatten wir in den Bergen für 1,20€!

Am Hafen laufen wir an Fischerbooten, einigen Ausflugsbooten und einigen riesigen Motoryachten vorbei zur Altstadt.

Hier ändert sich die Atmosphäre, mit dem Durchschreiten eines der kleinen Stadttore wird alles ruhig, Lärm und Aufdringlichkeit der Neustadt weichen einer Bedächtigkeit und Kleinteiligkeit. Wir schlendern durch die engen Gassen, sitzen auf kleinen Plätzen mit Brunnen, Blumenschmuck und steinernen Stelen, staunen über die seeseitige mächtige Befestigung der einstigen Stadt.

Auf einem kleinen Platz an der äußeren Mauer spielt ein Gitarrist aus Budva, Alex Grem, und wir sitzen in der Sonne und lauschen seiner Musik zwei Stunden lang, Meeresrauschen im Hintergrund. Entspannung und Meditation.

Schließlich wird es kühler, und die Wäsche ist nun auch abholbereit. Raus aus dem städtischen Gewusel, nun geht es wieder in die Berge!

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