Von Azrou in die Sandwüste Erg Chebbi und in die Todrha- und Dades- Schlucht

21. Dezember

Kurz hinter Azrou auf dem Weg nach Ifrane übernachten wir auf dem schlichten Campingplatz Amazigh für 50 MAD (etwa 4,50€). Morgens ist es auf dieser Höhe (1700m) nur wenig über 0 Grad. Als die Sonne ein wenig wärmt, machen wir uns auf den Weg in den Parc National Ifrane mit dem großen Zedernwald. Hier wandern wir unter den riesenhaften Bäumen hindurch. Die hier lebenden Berberaffen bekommen wir nicht zu Gesicht, nur einige Mineralienhändler und Wanderführer mit Pferden tummeln sich auf dem Parkplatz.

Auf der Weiterfahrt Richtung Süden bekommen wir dann plötzlich die Affen doch noch zu Gesicht. Auf der Straße und dem Parkplatz am Ende des Zedernwaldgebietes sitzen oder turnen sie herum und warten darauf, dass Besucher ihnen Nüsse oder Äpfel geben. Zum Glück haben wir noch ein paar alte Äpfel, die wir ihnen gerne abgeben.

Die Straße nach Midelt führt aus den Steineichenwäldern des Mittleren Atlas hinaus über eine karge Hochebene. In Timahdit ist gerade Markttag, hoch bepackte Autos bringen und holen Waren aller Art. Jetzt wissen wir, warum nahezu jedes Auto in Marokko eine Dachreling hat!

Weiter führt die Strecke über rote Erde und eine oft gut ausgebaute N13, in der Ferne erblickt man hohe Bergketten.

Auf über 2000m Höhe übernachten wir am Kratersee Aguelmame Sidi Ali in der kargen Wildnis des Mittleren Atlas. Der Uferabschnitt ist flach und wasserleer, doch in der Mitte soll der See 36m tief sein. Einsam und still ist es hier nachts – und kalt.

Am Morgen geht es weiter über die N13, noch höher hinauf und über einen Pass weiter Richtung Midelt. Sehr ärmliche Behausungen stehen am Straßenrand und in der weiten Ebene. Sie bestehen lediglich aus Wellblech, Pappe und Plastiktütenwänden. Unvorstellbar, in solchen Hütten bei unter 0 Grad zu wohnen. Überall am Straßenrand und auf den Ebenen fliegt Plastikmüll herum, zersplitterte Glasflaschen säumen den Weg.

In Zaida kaufen wir Äpfel und Brot – es scheint Apfelzeit in diesem Teil Marokkos zu sein, man türmt die Früchte zu Pyramiden an den Verkaufsständen auf. Ein Marokkaner erzählt, er arbeite in der Kupfermine vor Ort. Er möchte uns gerne Mineralien verkaufen – aber was sollen wir damit? Er ist nicht der Erste, der uns etwas verkaufen will, und es ist dennoch schwierig, nein zu sagen.

Nachmittags fahren wir an Midelt vorbei, einer zwischen dem Mittleren und dem Hohen Atlas liegenden Stadt. Die N13 wird hier in Teilen vierspurig ausgebaut, streckenweise ist sie schon fertig und gut zu befahren. Über eine karge steinige Landschaft führt der Weg zum Ziz-Tal. Am Beginn dieses Tals parken wir an der Heilquelle Thermale Hammat Mulay Ali Cherif. Unterhalb zweier Badehäuser gibt es direkt am Fluss eine heiße Heilquelle. Gerade als wir kommen ist „Geschlechterwechsel“: Die Frauen gehen, die Männer kommen und baden im warmen Wasser. Die jeweils Wartenden halten sich in etwa 50 Metern Sichtweite auf und picknicken. Kurz kann ich meine Hand noch hineinhalten, dann muss ich gehen – allerdings sieht das Wasser milchig, schmierig und wenig einladend aus, und in der Umgebung haben Fluss und Menschen eine Menge Müll hinterlassen.

Durch das Ziz-Tal führt eine schöne Strecke. Von vielen Aussichtspunkten kann man hinunter in die Schlucht des fast ausgetrockneten Flusses sehen. Wir bleiben auf halber Strecke auf dem CP „Jurassic“ und spazieren am folgenden Tag durch die Schlucht – soweit es möglich ist. In der Oase, in der der CP liegt, sind einige flache Lehmbauten errichtet, die von außen nahezu unzugänglich wirken.

Auf der Strecke nach Erfoud fahren wir durch das Oued (Flussbett) an etlichen Palmenhainen entlang. Die Baumstämme sind schwarz, doch die Kronen noch grün. Ob es hier überall gebrannt hat? Vielleicht lässt die zunehmende Wasserknappheit die Palmen aber auch absterben, sie versalzen zunehmend. In den Oasen werden überwiegend Datteln angebaut, und bei der gestrigen Wanderung versperrten immer wieder tiefe Bewässerungsgräben den Weg zum Flussbett, doch manche Gebiete sehen sehr vertrocknet und verwüstet aus. Die Talsperre Hassan Addakhil  im weiter werdenden Tal ist kaum gefüllt.

Etwa 50 Kilometer vor Erfoud beginnt ein beidseitiger Fahrradweg – ein schmaler, durch gestrichelte Linien abgetrennter Streifen auf einer Fahrbahn, auf der man mit dem Auto 100km/h fahren darf. Das Radfahrer- Vergnügen währt nur etwa 5 Kilometer, dann endet der Streifen wieder. Lebensmüde, wer hier fährt? Die weite Ebene ist staubig und steinig grau.

Kurz bevor wir in Erfoud ankommen, legen wir noch einen Zwischenstopp in Maadid ein – wir wollen eine der noch ursprünglichen großen Kasbahs, der ummauerten Siedlungen mit Häusern aus Lehm und Stroh, besuchen. Durch das Tor treten wir in die Stadt ein und befinden uns sofort in einer anderen Welt. Ein kleiner Hof mit einem älteren Mann mit Esel und dumpfe Gerüche empfangen uns. Von hier aus führt eine schmale Gasse weiter, hohe Wände halten das Sonnenlicht fern. Von dieser Gasse verlaufen Gänge zu Wohnbehausungen, die überdeckt und damit fast völlig dunkel sind. Keine Fenster, nichts Freundliches, Dunkelheit, Bedrückung erfüllt uns. Sofort begleiten uns Kinder, die betteln und versuchen, an der Kleidung zu ziehen und erst nach massivem Schimpfen fern bleiben. Unheimlich ist es hier, ich getraue mich nicht zu fotografieren. Schnell drehen wir um und gehen denselben Weg zurück, sind froh, als das Sonnenlicht uns wieder hat.

24. Dezember

Weihnachten in der Wüste!

Kurz hinter Erfoud erblicken wir die ersten Sanddünen des Erg Chebbi. Das Erg dehnt sich etwa 22 Kilometer in Nord-Süd-Richtung und nur fünf Kilometer in Ost-West-Richtung aus. Wir fahren nach Süden an den Dünen entlang bis nach Merzouga. Hier gibt es etliche Campingplätze, wir beziehen einen Platz in der Gazelle bleue direkt hinter der großen Düne. Der Platz liegt hinter einer Umfassungsmauer geschützt vor Sandstürmen und der aufdringlichen Anmache der marokkanischen Touristenführer. Auf der Terrasse bekommen wir in der Nachmittagssonne den ersten Pfefferminztee serviert.

Am Spätnachmittag laufen wir ein paar hundert Meter hinein in die Sandwüste und bestaunen die goldenen Sandberge, doch an diesem Sonntag sind sehr viele Menschen mit Buggys, Quads und auf Dromedaren unterwegs – von Wüstenruhe ist nichts zu spüren. Hinzu kommen all die Marokkaner, die uns etwas verkaufen wollen: Schmuck, Decken, Dromedarausflüge….

25. Dezember

Am Morgen ist es ruhig – Allradfahrzeuge, Touristenfänger und Dromedare sind weg. Ich wandere über etliche Dünenkämme zur großen Düne und genieße die Ruhe im Morgenlicht.

Langsam kommen die Dromedare mit ihren Führern aus der Wüste nach Merzouga, um Touristen abzuholen. Auch ich würde jetzt gerne ein Stückchen reiten – das Laufen im Sand ist viel anstrengender als gedacht, und die höchste Düne ist mit ihren 150m ein riesiger Berg. Mit jedem Schritt bergauf rutsche ich einen halben Schritt wieder hinab, aber die Anstrengungen werden belohnt mit einem weiten Rundumblick.

Gegen Abend laufen wir noch einmal ein Stück in die Sandwüste, die Sonne konturiert die Dünen und lässt sie leuchten. Auch die der ursprünglichen Bauweise der Berber angepassten Hotelbauten wirken unter dem goldenen Himmel wie aus 1001 Nacht.

26. Dezember

Über Erfoud, Jorf und Fesna fahren wir auf der R702 in Richtung der Schluchten von Todrha und Dades. Auf der öden, staubig grau-braunen Strecke kommen wir durch Geisterdörfer, in denen die meisten Häuser nicht fertig gebaut sind und unbewohnt erscheinen. Rechts neben der Straße tauchen Aushub-Hügel in langen Reihen auf. Dazwischen befinden sich Erdschächte, teils mit Ziehbrunnen, khettaras genannt. Es handelt sich um Wartungsschächte eines Bewässerungssystems, das früher Wasser aus den Bergen in die Stadt Erfoud transportiert hat.

Über eine Treppe können wir – mit einer alten Frau, die nur berberisch spricht, aber 100 MAK haben möchte, gemeinsam – in eine khettara steigen und den unterirdischen breiten Gang anschauen.

Ab Goulmina folgen wir dem Oued Gheris in Richtung Assoul. Einige alte, oft verlassene Lehmkasbas liegen am Weg. Mehrmals überquert man den Oued Gheris und fährt so auf die Berge des Hohen Atlas zu. Bei Regen dürfte diese Straße kaum zu fahren sein, denn die Furten sind tief und reißende Wasserfluten möchte ich hier nicht erleben. Zur Zeit ist jedoch alles trocken und staubig. Die Schluchten werden enger, die rotbraunen Felsen ragen höher auf, bis wir schließlich die weite, fast vegetationslose Hochebene erreichen.

In Assoul ist Markt, und wir kaufen frisches Gemüse, Mandarinen und Datteln. Etliche Jungen laufen hinter und neben uns, manche betteln „Dirham, Dirham“, wie andernorts auch schon. Gibt man einem etwas, kommen zwanzig andere. Es fällt uns nicht immer leicht, nein zu sagen. Die Mädchen sind weniger aufdringlich und grüßen schüchtern und freundlich. Viele Menschen sind jedoch vor Allem neugierig und freundlich.

Bis Ait Hani zieht sich die Hochebene. Immer wieder sitzen Männer in einer Djeballa mit spitzer Kapuze am Rand der Straße, starren ins Nichts oder meditieren, ab und zu holt der ein oder andere sein Handy heraus – Internet gibt es auch im Gebirge fast überall.

Nach vielen Kilometern gelangen wir an die Todrha, die sich hier oben breit als grünes Band zu erkennen gibt. Viele Furten gilt es zu überqueren, durch die glücklicherweise zur Zeit kein Wasser fließt. Riesige Gebiete müssen hier im Spätwinter unter Wasser stehen. Nachdem wir die nahezu leere Talsperre passiert haben, verengt sich die Schlucht allmählich und wird nach etlichen Kilometern immer schmaler und imposanter.

Erst etwa 10 Kilometer vor Tinghir erreichen wir die besonders imposante Engstelle der Schlucht, an der sich die Felsen bis zu 300 Metern über uns erheben. An den Felsen hangeln einige Kletterer, und in den Ausbuchtungen zwischen den hohen Felsblöcken breiten Händler ihre Teppiche, Tücher und Schmuckgegenstände aus. Immer wieder versuchen sie, uns etwas zu verkaufen.

Einen netten kleinen Campingplatz zwischen Palmen, den Garden of Eden,  finden wir wenige hundert Meter hinter den Schluchtwänden. Hier bleiben wir zwei Nächte. Am Abend essen wir – endlich – die erste Tajine, coronabedingt in unserem Camper.

Am Morgen treten wir durch die Gartenpforte des Campingplatzes und stehen überraschenderweise in einem Djungel-ähnlichen Palmenwald.  Ein Trampelpfad führt zunächst über den noch ein wenig Wasser führenden Fluss Todrha, dann an den verzweigten Bächlein und Rinnen des Bewässerungssystems entlang. Ringsum ist es grün, breitere Flächen sind feldähnlich rechteckig strukturiert. Reste von Brokkolipflanzen stehen noch, ansonsten ist hier der Winterschlaf eingekehrt – oder, so wirkt es, manche Grünflächen sind als Anbaufläche aufgegeben worden.

29. Dezember

In Tinghir kaufen wir in mehreren der kleinen Läden, die sich an der Hauptstraße aneinander reihen, einige Lebensmittel ein. Hier gibt es fast ausschließlich Konserven und Brot, ab und zu ein paar Milchprodukte. Käse sucht man vergebens, und Obst und Gemüse muss man auf einem der zahlreichen Märkte einkaufen.

Dann setzen wir auf der Straße der Kasbahs unsere Reise an der Südflanke des Hohen Atlas-Gebirges fort. Die Straße ist hier vierspurig ausgebaut und mit Palmen bepflanzt, unzählige unbewohnte, halbfertige und fast fertige zwei- bis dreistöckige Neubauten stehen über Kilometer an dieser Straße. Erklären können wir uns diese Bauwut nicht.

In Boumalne geht es ins Dades-Tal hinein. Anders als die Todrha-Schlucht ist das Tal anfangs breiter und insgesamt wesentlich dichter besiedelt. Kleinteilig parzellierte Felder finden hier in unmittelbarer Flussbettnähe noch Platz, Obstbäume und Silberpappeln säumen den Weg. An vielen ursprünglichen Kasbahs vorbei fahren wir immer höher hinauf und bestaunen die bizarren Felsformationen, die über dem zerklüfteten Flussbett thronen.

Erst nach vielen Kilometern verengt sich das Tal zu einer schmalen Schlucht. Hier führt die Straße in engen Kehren weit hinauf zum in spektakulärer Lage thronenden Café-Restaurant Timzzillite – von oben der wohl am häufigsten fotografierte Teil der Dades-Schlucht.

Wir fahren noch einige Kilometer weiter am Dades entlang – oder besser gesagt, hoch über dem Fluss hinauf an stark zerklüfteten Felsen und buckligen Bergrücken entlang und übernachten schließlich in 1800m Höhe.

Auch in der nächsten Nacht bleiben wir oberhalb des Dades in der Nähe von Msemrir, auf einem einsamen Platz in der Steinwüste auf 2200m Höhe, und staunen den klaren Himmel an, der hier so viele Sterne hat.

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