Von Augsburg nach Schloss Lichtenstein

Am Morgen haben wir unsere Biene bei Burow in Mering abgegeben, um die defekte Heizung und die Wasserpumpe sowie einige Kleinigkeiten reparieren und die neuen Federn einbauen zu lassen. Mit dem Fahrrad radeln wir anschließend ins fünfzehn Kilometer entfernte Augsburg und erkunden die Stadt.

Die Stadt gefällt uns, die Plätze mit ihren gut besuchten Cafés laden zum Verweilen ein. Abends gehen wir Äthiopisch essen und übernachten im Hotel, um am nächsten Morgen die Fuggerei zu besichtigen. Vor 500 Jahren wurde die Siedlung von Jakob Fugger, einem reichen Kaufmann, gestiftet als Sozialsiedlung für „bedürftige Augsburger Bürger katholischen Glaubens“. Für eine Kaltmiete von 0,88€ und täglich drei Gebeten finden bedürftige Augsburger*innen hier – nach sehr langer Wartezeit – auch heute noch ein Zuhause. Diese Stadt in der Stadt hat 67 Häuser und eine eigene Kirche. Während früher über 300 Personen hier lebten, wurden mit den Jahren die Wohnungen vergrößert und erneuert. Heute leben hier 150 bedürftige Menschen. Die Stiftung wird heute von der Fürstlich und Gräflichen Fuggerschen Stiftungsadministration betreut. Vier kleine Museen sind in verschiedenen Häusern untergebracht, in denen man sich informieren kann über die Bewohner*innen, die Geschichte des Wohnens und des Alltags in der Fuggerei und den Wiederaufbau nach der Bombardierung im letzten Kriegsjahr 1945.

Fuggerei Augsburg

Die für jedes Haus unterschiedlichen Klingelzüge sollten, so erzählt man, gewährleisten, dass auch im Dunkeln (und bei Trunkenheit) jeder Bewohner die richtige Haustür finden konnte, und mit dem Türöffner konnte man von der Wohnstube aus mechanisch die Haustür öffnen.

Nach der Besichtigung bleibt uns noch Zeit für ein Frühstück, dann radeln wir gemächlich zurück nach Mering, um Biene abzuholen.

Das wird allerdings nichts: Die Reparaturen sind zu unserer Zufriedenheit erledigt, aber ein weiterer Tag wird benötigt, um die Federn einzubauen. Glücklicherweise können wir die Nacht aber im Auto verbringen, und nach dem Einbau fahren wir noch zur GTÜ nach Landsberg / Lech, um die Formalitäten zu erledigen.

Von hier aus geht es weiter nach Blaubeuren. An der Blau beziehen wir den Stellplatz, mit 17€/Nacht nicht billig, aber schön und ruhig gelegen. Nachmittags schlendern wir durch das hübsche Städtchen und gehen schwäbische Kässpätzle essen.

Von Blaubeuren aus machen wir zwei schöne Fahrradtouren durch die Frühlingslandschaft. Die erste Tour führt an der Blau entlang bis Blaustein und weiter durch das Kleine Lauter- Tal.

die Blau mit Schloss Klingenstein

Nach der Fahrt durch die Täler geht es hinauf bis auf 760m, von der Ruine Günzelburg schauen wir hinab auf Blaubeuren. Über einen Single trail führt der steile Waldweg durchs Felsenlabyrinth und an der Brillenhöhle vorbei wieder zurück zum Stellplatz.

Eine zweite Radtour führt uns zunächst am Blautopf, der Quelle der Blau in Blaubeuren, vorbei. Zur Zeit sprudeln etwa 2000l Wasser pro Sekunde aus der Quelle im See.

Weiter geht es durch grüne Wiesen mit bunten Blumen und durch gelb blühende Rapsfelder Richtung Heroldstatt, um dann kurz hinter Feldstetten durch das ehemalige Militärgebiet Münsingen, das heute Biosphärenschutzgebiet ist, nach Böttingen zu radeln.

Die Radwege hier in der Schwäbischen Alb sind nahezu durchgängig sehr gut befahrbar. Schmale geteerte oder fest gekieste Sträßlein führen durch Wald und Feld, aber auch an jeder größeren Straße entlang, sodass man kaum eine Landes- oder Bundesstraße befahren muss. Nie zuvor habe ich ein so gut ausgebautes Radwegenetz erradelt.

Das letzte Drittel des Weges führt durchs Schmiechtal nach Schelklingen zum Ursprung der Ach, auch hier gibt es einen „Topf“, den Achtopf.

Am Abend verlassen wir Blaubeuren und fahren mit Biene zum nahe gelegenen Freilichtmuseum in Beuren. Hier auf dem Parkplatz übernachten wir.

Am frühen Morgen mache ich einen Spaziergang, den das Touristenbüro „hochgehnießen“ nennt – über ein paar Kilometer geht es in der frühen Sonne am Freilichtmuseum vorbei über die noch vom Morgentau feuchten Wiesen und Felder. Die Idylle ist perfekt: Vögel jubilieren, es duftet nach Gras.

Nach dem Spaziergang besuchen wir das kleine Freilichtmuseum mit einem Neckarland- Dorf, in dem heute eine Ausstellung verschiedener alter Handarbeitstechniken zu sehen ist, und einem kleinen Alb- Dorf.

Das „Bauernschloss“ eines reichen Bauern ist wie vor knapp 100 Jahren ausgestattet, das Bauernhaus aus Aichelau mit Ausgedinghaus zeigt den Wandel in den letzten 500 Jahren.

Im Alb- Dorf stehen ein Weberhaus und ein Tagelöhnerhaus, die Einblicke in das ärmliche Leben der Weberfamilien und Tagelöhner geben. Ziegen, Rinder, Federvieh und Kaninchen bevölkern das Museum, und auch einen Schneckengarten gibt es. Das Bienenhaus stammt aus dem Jahr 1913.

Interessant ist das Fotoatelier aus Kirchheim unter Teck mit einer Ausstattung aus den Jahren 1900 bis 1914. Der Besuch des Rathauses bildet den Abschluss unseres Rundgangs. In diesem Haus befindet sich außer der Gemeindeverwaltung auch die Lehrerwohnung, wobei der Lehrer in seinem Wohnzimmer auch die Sparkassengeschäftsstelle geführt hat.

Rathaus

Am Nachmittag fahren wir nur wenige Kilometer weiter bis zum Stellplatz am Schützenhaus in Neuffen. Von hier aus haben wir eine schöne Aussicht auf Burg Hohenneuffen und können im nebenan liegenden Gasthaus zu Abend essen.

Stellplatz Schützenhaus Neuffen

Wenn wir schon die Burg vor Augen haben, wollen wir auch hinauf!

Die Radtour am nächsten Tag geht also zunächst hinauf – sehr steil hinauf zur Burg, bis auf 743m. Dafür werden wir nach der Anstrengung mit fürstlichen kilometerweiten Ausblicken belohnt.

Eine erste Burg auf diesem Gipfel ist bereits in den Jahren 1100 – 1120 erbaut worden, urkundlich erwähnt wurde sie erstmals 1198. Zu einer stark befestigten Anlage wurde sie um 1550 umgebaut, es entstanden Vorwerke, Kasematten und Bastionen, Stallungen, Zisternen und ein Zeughaus. Nach etlichen Kämpfen wurde die Burg ab 1801 zum Abbruch frei gegeben, die Bewohner der Umgebung waren froh über das günstige Baumaterial. Allerdings begann man dann wieder ab 1830 die Reste des Baus zu sichern. Die Burg wurde schließlich zum Ausflugsziel mit Gaststätte, im 2. Weltkrieg war sie Fliegerwache, und 1948 fand hier die vorbereitende Konferenz für den Zusammenschluss der drei Länder Württemberg-Baden, Südbaden und Württemberg- Hohenzollern zum Bundesland Baden- Württemberg statt.

Wir radeln nach der Besichtigung weiter über die Höhen nach Erkenbrechtsweiler und Hülben und dann hinab ins Tal der Erms und wieder hinauf über die Höhen nach Glems.

Irgendwo zwischen Hinab und Hinauf versagt die Elektronik meines Fahrrades, der Elektroantrieb funktioniert nur noch mit einem Viertel seiner Kraft, und ich muss dies durch Muskelkraft ersetzen. In dieser Gegend kein reines Vergnügen! Also wird ab jetzt im 1. Gang die Berge hochgestrampelt, der Muskelkater ist vorprogrammiert. Was für eine Erleichterung doch so ein E- Bike ist!

Als wir nach Metzingen hineinfahren, können wir kaum fassen, in was wir da hineingeraten sind: Die landschaftliche Schönheit, die Kleinteiligkeit der hügeligen Obstwiesen und Dörfer ist plötzlich einer sicht- und spürbaren Dekadenz gewichen. Moderne riesige Bauten mit den Aufschriften sämtlicher bekannter und teurer Bekleidungsmarken links und rechts, eilende, mit Tüten vollbepackte Menschen, schnelle und teure Autos und unverschämte Preise im Cafe: Das ist die Outlet- City Metzingen.

Nach einem Kaffee geht es zügig wieder hinaus aus dieser Stadt, hinauf in die östlich gelegenen Weinberge. Lärm und Hektik bleiben unten, hier oben ist es wieder friedlich, die Weinbauern mähen das Gras zwischen den schon grünen Trieben, und die Vögel zwitschern.

Nach einigen Kilometern kommen wir wieder am Stellplatz in Neuffen an und genießen den Blick auf die Burg in der Abendsonne.

Für den morgigen Tag planen wir eine kürzere Tour mit einem zweiten Akku für mein Fahrrad, aber schon nach wenigen hundert Metern muss ich feststellen, dass sich am Elektroantrieb nichts verbessert hat. Also wird die kurze Tour zu einer noch kürzeren Tour über Kohlberg und Dettingen nach Bad Urach, einer kleinen Kurstadt, in der ein großer Teil der Häuser terrassenförmig an Steilhänge gebaut wurde. Der Stadtkern besteht aus einem spätmittelalterlichen Marktplatz mit Häusern aus dem 15. und 16. Jahrhundert, einigen kleinen Gässchen, Resten einer umgenutzten Schlossanlage und der Amanduskirche.

Marktplatz Bad Urach

Höhere Berge versuchen wir zu vermeiden, aber hinter Bad Urach geht es am Kaltentalsee vorbei durch den Wald und dann doch von 390m auf dem Vorderen Albweg auf 770 Höhenmeter hinauf.

Noch am Nachmittag fahren wir mit Biene weiter nach Münsingen, wo wir mein Fahrrad zur Reparatur bringen. Glücklicherweise treffen wir auf einen sehr engagierten Zweiradmechaniker, der eine Idee hat, wo der Fehler liegen könnte, und der verspricht, sich gleich am nächsten Morgen damit zu befassen. Derweil übernachten wir auf dem Biohof der Familie Weibler in Münsingen, einem „Landvergnügen“- Hof, auf dem wir Linsen und Bio- Würstchen einkaufen.

Am nächsten Morgen kann mir der Fahrradmechaniker schon morgens um 8 Uhr telefonisch mitteilen, dass der Fehler – ein verloren gegangener Kontakt zwischen Akku und Motor – gefunden und behoben sei. Dazu musste allerdings das gesamte Tretlager auseinandergebaut werden – das ist nun auch gereinigt und geschmiert. Froh und erleichtert können wir also die Reise fortsetzen – was sollten wir ohne Fahrräder tun? Außer ein paar Besichtigungen und Wanderungen zu unternehmen…

Glücklich und guter Dinge fahren wir nur wenige Kilometer weiter bis Buttenhausen an der Großen Lauter. Hier gibt es mehrere Wanderparkplätze, und von einem aus starten wir zu einer Radtour durch das ganz außergewöhnlich schöne Lautertal hinunter bis zur Mündung der Lauter in die Donau.

Der Fluss schlängelt sich in vielen Windungen durch die Wiesen, die grün und gelb in der Sonne leuchten. Die Hänge links und rechts des Flusstales sind mit einzelnen Felsen durchsetzt. Immer wieder sieht man Burgen auf den Felsen hocken, und am Fluss finden sich liebevoll gestaltete Picknickplätze mit Bänken, Liegewiesen, kleinen Brücken und Spielgeräten. Nicht umsonst gilt das Lautertal als eines der schönsten Flusstäler der Schwäbischen Alb.

Aquädukt über die Große Lauter

Wir folgen dem Lauf der Großen Lauter bis zur Mündung in die Donau. Dann radeln wir noch zwei Kilometer donauaufwärts bis zum ehemaligen Kloster Obermarchtal, in dem sich heute Seminar- und Tagungsräumlichkeiten befinden. Eine Brücke führt hier über die Donau, die über viele Felsstufen unter uns hinabsprudelt. Ein schmaler Fußweg verläuft über etliche Treppenstufen hinauf zur Klosterkirche.

Zurück fahren wir nicht am Fluss entlang, sondern weiter östlich über kleine Ortschaften, weite Wiesen und Felder und durch Wälder. Da mein Fahrrad wieder funktioniert, scheuen wir keine Steigung. Teils geht es steil bergauf oder hügelig auf und ab und schließlich an einer Bahnlinie entlang bis zum Ausgangspunkt zurück.

Am frühen Abend nehmen wir ein kühles Fußbad in der Großen Lauter und genießen den Absacker in der Abendsonne.

Der 12. Mai wartet mit einer Besichtigung auf: Es geht zum Schloss Lichtenstein. Auf den Grundmauern der alten Burg aus dem 13. Jahrhundert wurde diese Burg von Wilhelm Graf von Württemberg 1840- 1842 in nur drei Jahren Bauzeit errichtet. Diese neue Burg entstand im Stil einer mittelalterlichen Ritterburg. Im Neubau sind die Grundmauern der alten Burg einbezogen, die Nebengebäude, der Burghof und die Mauern sowie einige Türme vervollständigen die Anlage.

Auf einem Bergsporn erhebt sich die märchenhaft anmutende Hauptburg, im romantischen Stil erbaut und eingerichtet, gesichert durch eine Zugbrücke und steil abfallende Berghänge sowie mehrere Meter dicke Wände. Angeregt wurde der Bau durch Wilhelm Hauffs Roman „Lichtenstein“, viele bekannte Burgen wie auch Schloss Neuschwanstein wurden erst 30 Jahre und mehr später errichtet.

Nur bei einer Innenbesichtigung mit Führung können wir das Innere erkunden – fotografieren ist leider nicht erlaubt. Beeindruckend sind die Malereien an den Decken und Wänden, die ausgestellten Rüstungen, Bilder und Möbel, die Fenstermalereien und fein geschliffenen Gläser.

Nach dem Besuch des Schlosses laufen wir durch den Park zur Ruine der alten Burg Lichtenstein, die nach der ersten Burg um 1390 erbaut wurde und im 16. Jahrhundert verfiel. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diese Burg abgetragen, statt dessen wurde das heute sichtbare Schloss an Stelle der ersten erwähnten Burg etwa 400m entfernt, gebaut.

Auf dem Parkplatz zum Schloss verbringen wir eine sehr ruhige Nacht, um am nächsten Morgen weiterzufahren nach Sonnenbühl.

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