Im westlichsten Zipfel Cornwalls

Rund um St. Hilary

Der nächste Ausgangspunkt liegt für uns in St. Hilary bei Marazion. Der neu eröffnete Stellplatz ist offenbar noch kaum bekannt und bietet viel Platz, wir sind fast die Einzigen auf dem großen, sorgfältig angelegten und gepflegten Wiesenplatz. Von hier aus radeln wir am nächsten Tag nach Porthleven, etwas südöstlich an der Küste Cornwalls gelegen. In der hügeligen Umgebung entdecken wir auf dem Weg zwischen den drei Meter hohen Hecken, die mit Farnen, Brombeeren, Fingerhut und vielen Gräsern bewachsen sind, die Ruine einer ehemaligen Kupfer- und Zinnmine.

Der Küstenort Porthleven ist von einer großen Hafenmauer geschützt, der innere Hafen ist noch einmal mit dicken Mauern, auf denen alte Kanonen stehen, abgesichert. Hinter den Mauern finden wir auf einer der zahlreichen Bänke einen windgeschützten sonnigen Platz für das Mittagsbrot.

Engländer sind gerne draußen, picknicken oder sitzen auf den unzähligen Bänken; sie essen und trinken, lesen Bücher und Zeitungen, lösen Kreuzworträtsel, betreiben Hundepflege und unterhalten sich dort. Wo man auch hinkommt, stehen Bänke bereit, und viele sind besetzt. Immer wieder kommt man miteinander ins Gespräch, so auch hier: A lovely day, isn´t it?

Um das Hafenrund herum radeln wir, dann geht es wieder bergauf bis zum Penrose Hause und durch das dazu gehörige riesige Anwesen mit Parks, Wäldern und einem See, der sich bis zur Küste erstreckt.

Zufällig liegt auf dem weiteren Weg das Godolphin House, ein Herrenhaus aus dem 16./17. Jahrhundert und Rest einer früher weit größeren Anlage. Zum wiederholten Mal freuen wir uns über die Mitgliedschaft im Verein Kulturerbe Bayern, denn der Eintrittspreis von 12£ pro Person wäre uns wohl zu hoch gewesen.

Die Familie Godolphin war durch den Zinnbergbau reich geworden und eine der führenden Familien in Cornwall, bevor der Gebäudekomplex verfiel und der National Trust dieses Anwesen übernahm. Die Gärten gelten als die wahrscheinlich ältesten erhaltenen formalen Gärten des Landes.

Der King´s Garden ist von Steinmauern umgeben und der Privatgarten der Herrschaften im 16. Jahrhundert gewesen. Heute erstrahlt er in einem blumigen Farbenmeer und vermittelt Ruhe und Behaglichkeit.

Am 19. Juni fahren wir mit dem Fahrrad zum St. Michael´s Mount, dem englischen Pendant zum französischen Mont Saint – Michel. Zu Fuß kann man bei Niedrigwasser von Marazion über einen Steindamm hinüberlaufen zur Insel und die Anlage mit der Burg auf der Bergspitze sowie die Gärten besichtigen (…und pro Person 26£ bei entsprechender Mitgliedschaft sparen 😉).

Bereits etliche Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung haben auf der kleinen Insel Menschen gesiedelt, im Mittelalter und der frühen Neuzeit befand sich hier ein Kloster. Seit dem 17. Jahrhundert wurde die Insel privat bewohnt, 1954 wurde die Anlage dem National Trust vermacht.

Blick auf den Mount Saint Michael
Fußweg bei Niedrigwasser

Als wir nach dem Rundgang durch die Innenräume der Burg, durch die Kapelle und über die Außenplätze nach zwei Stunden den Rückweg antreten, hat die Flut schon einige Meter des gepflasterten Fußweges überschwemmt.

Auf dem Rückweg von Mousehole, wohin wir weiterfahren, kann man den Weg nur noch erahnen.

Während das Wasser steigt, besichtigen wir Mousehole mit seinem pittoresken Hafen und den schönen Häusern mit heimelig wirkenden bunten Blumengärten.

Blick auf Mousehole

An der Südküste Cornwalls gibt es einen teilweise ausgebauten Rad- und Fußgängerweg, der allerdings immer wieder unterbrochen ist – leider auch und gerade in Penzance, wo der Weg dann über die viel befahrene Straße führt. Die allermeisten Autofahrer*innen sind jedoch rücksichtsvoll und warten mit dem Überholvorgang, bis die Straßenbreite es zulässt.

Wie überall gibt es auch hier und entlang des Radweges neben den Müllbehältern zusätzliche Dog-Waste– Behälter: Mülleimer, in die die Hundekotbeutel, die offenbar (fast) alle Menschen hier bei sich haben, geworfen werden. Nahezu jede*r Engländer*in führt einen oder auch mehrere Hunde aus, Hundekot sieht man allerdings nur sehr selten auf der Straße liegen – Beutel und Behälter werden genutzt. Überhaupt sind die Menschen auf der Insel sehr tierlieb. Neben Pensionen für alte Esel, Pferde, Seehunde und andere Tiere sehen wir auf unseren Touren immer wieder diese Warnschilder.

Auf der Radtour von St. Hilary nach St. Ives an der Nordküste können wir über viele Kilometer dem Radweg R3 über schmale, wenig befahrene Straßen folgen, bevor die nördliche Küstenstraße die einzige Alternative ist, um von Hayle nach St. Ives zu gelangen.

Die Stadt liegt im Mündungsbereich des River Hayle und ist ein beliebter Urlaubsort in Westcornwall, was man auch gleich an der stark frequentierten Strandpromenade bemerkt. St. Ives hat einen sehenswerten Fischereihafen und breite, feinsandige Strände. Zudem ist die Stadt bekannt für ihre Kunstgalerien.

Blick auf die Hafenbucht Saint Ives
Blick zurück auf Saint Ives

Der Trubel wird uns schnell zu viel, nach einer Runde um die Bucht und durch den Ort radeln wir in großem Bogen zurück nach St. Hilary.

Treen

Zum Sommeranfang ist Regen angekündigt. Wir decken uns im großen Supermarkt Sainsbury mit Notwendigem und einigen köstlichen Leckereien ein – die Lebensmittel sind nicht teurer als in Deutschland – und fahren mit Biene bis Treen auf einen großen Wiesen-Parkplatz, wo wir zwei preiswerte Nächte (je 10£) mit Blick aufs Meer verbringen. Glücklicherweise regnet es nur am Nachmittag einige Stunden, und schon zum Sonnenuntergang kommt die Sonne wieder hervor. So ist das in Westcornwall: Das Wetter wechselt so schnell, dass der Wetterbericht ständig falsch liegt. Die Einwohner sagen: Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte zwei Minuten.

Parkplatz mit Aussicht in Treen

Von Treen aus ist der Logan Rock über einen Pfad durchs Kornfeld schnell erreicht. Von hier aus verläuft der South West Coast Path nach Osten bzw. Westen. Bevor wir ihm Richtung Westen folgen, erklettern wir den Logan Rock, eine granitene mächtige Felszunge im Meer, bewachsen mit Englischen Fetthennen, Strandgrasnelken, Sandglöckchen und allen möglichen Moosarten.

Blick auf den Logan Rock

Über den schmalen, teils zugewachsenen, steil auf und ab führenden Wanderweg laufen und klettern wir am Pedn Vounder Beach vorbei zum Porthcorno Beach mit seinem großen Sandstrand. Viele kälteunempfindliche Briten baden, surfen, paddeln hier. Immer wieder begeistern uns der Weg und die Ausblicke. Glücklicherweise gibt es hier – wie bisher – trotz des hohen Grases und der zahlreichen blühenden Pflanzen weder Mücken oder Bremsen noch Zecken.

Nun geht es steil bergan über viele Treppenstufen zum Minack Theatre. In die steil ansteigenden Felsen eingehauen ist das kleine Halbrund des Theaters, das Rowena Cade im Garten ihres Anwesens seit 1929 angelegt und im Laufe der Jahre immer weiter ausgebaut hat. An den unmöglichsten Plätzen wurden Sitze in den Stein geschnitten oder aus Zement gegossen. Heute fasst das Theater 800 Zuschauer*innen, und gespielt wurde in den Jahren seit Bestehen fast alles – hauptsächlich aber Shakespeare.

da ganz unten ist die Bühne!

Nicht nur das Theater, auch und insbesondere der im Steilrund angelegte Garten mit seiner Farbenpracht und der weite Blick über Meer und Buchten ist faszinierend.

Bei St. Just

Am 23. Juni besuchen wir Land´s End, den westlichsten Punkt Englands. Vor dem letzten Festlandpunkt liegt Longships Lighthouse auf einem Felsen im Meer, ansonsten gibt es am Zugang einigen Touristenrummel, aber wenig zu sehen. Ein Stück weit laufen wir entlang der Küste bis zum Mayon Cliff mit dem Schiffswrack der RMS Mülheim. 2003 wurde das Schiff in schwerer See auf die Felsen getrieben und zerbarst, seit 20 Jahren rostet es hier vor sich hin.

Land´s End
Wrack der RMS Mülheim

Auf Roseland´s Caravan Site etwas weiter nördlich bei St. Just finden wir am Abend eine neue Bleibe.

Von Roseland´s Campsite aus radeln wir anderntags über eine weite Hochebene, die mit Heidekraut und Farnen bewachsen ist, fast bis St. Ives. Irgendwann gehen die schmalen Straßen in noch viel schmalere Reitwege über, die über drei Kilometer nur noch mehr oder weniger schiebend zu bewältigen sind, da die Pedale sich beim Treten in den hohen Grassoden verfangen.

Schließlich gelangen wir auf die nördliche Küstenstraße, über die es nun wieder zurück geht bis nach Pendeen mit seinem kleinen, weißen Leuchtturm.

Die Ruinen der ehemaligen Förderanlagen der Zinnminen um St. Just herum und weiter bis über St. Ives hinaus lohnen einen längeren Besuch. Die Zinnminen waren über Jahrhunderte das ökonomische Rückgrat Cornwalls. Nahe an der Küste stehen die Ruinen ehemaliger Maschinenhäuser, und abbröckelnde Schornsteine ragen bis zu 30m hoch hinauf. Hier arbeiteten Mitte des 19. Jahrhunderts 50.000 Zinnschürfer unter schlechtesten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bedingungen, einem raffinierten Ausbeutungssystem ausgeliefert. Damals hatte Cornwall die höchste Minendichte der Welt, und zwei Drittel der Weltförderung von Zinn kamen aus Cornwall.

Wir wandern zu den in kurzen Abständen dicht beieinander stehenden Überresten und staunen, wie die Natur sich nach und nach die Landschaft zurück erobert. Fast idyllisch liegen die Bauwerke eingebettet in die Felsen- und Heidelandschaft, teils überwachsen, teils gut zugänglich, teils in die Steilküste integriert. Noch kann man in die abgesicherten Belüftungsschächte schauen, ein Stollen ist frei zugänglich, das Gebiet zwischen St. Just und Pendeen ist mit Parkplätzen und Cafés für Kurzbesuche und Picknicks ausgestattet. Viel Geld kann man für eine geführte Tour durch die Stollen der Geevor´s Mine ausgeben, wir verweilen lieber über der Erde.

Botallack Mine

Dem kleinen Städtchen St. Just statten wir zum Abschluss des Tages einen Kurzbesuch ab, bevor die letzten Stunden dieses sommerlichen Tages auf dem Campingplatz verklingen.

Nachdem die Wäsche gewaschen und Biene gründlich innen gereinigt ist, geht es auf zur nächsten Etappe an die Nordwestküste Cornwalls.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert