25. Januar
Über die Küstenstraße fahren wir zunächst nach Norden und dann ab Tholo die schmalere Bergstraße nach Osten bis Platania. Die Fähre nach Bari ist gebucht, und die letzten Tage auf dem Peloponnes wollen wir zumindest zum Teil noch einmal in den Bergen verbringen.
In dem Bergdorf Platania beginnt eine Wanderung zu den Neda- Wasserfällen, die wir machen möchten, allerdings verkürzen wir diese Wanderung angesichts des sehr steilen Abstiegs und fahren über eine ausgewaschene Schotterstrecke hinunter in die Neda- Schlucht. Parken können wir auf halbem Wege in einer breiten Kurve für die Nacht. Von hier aus laufen wir den Rest des Weges, der zu einer alten Steinbogenbrücke führt.
Hier beginnt ein Pfad, der entlang einer Felswand zu den Wasserfällen führt, die sich in die Neda stürzen.
Der erste, kleine Wasserfall rauscht durch eine Rinne in einen türkis schimmernden Pool, der im Sommer sicher für ein Bad genutzt werden kann. Der große, etwas höher liegende Wasserfall liegt idyllisch versteckt zwischen den Bäumen. Auch hierin könnte man sicher baden, wenn es wärmer wäre, aber die Lufttemperaturen liegen heute nur unwesentlich über 0 Grad, und sehr viel wärmer wird das Wasser hier auch nicht sein.
Wir folgen dem schmalen Pfad noch bis zur kleinen Panagia- Kapelle, dann endet der Weg.
Weder auf dem Weg noch in der folgenden Nacht begegnen uns Menschen oder Autos, in den Bergen herrscht absolute Stille, und der Sternenhimmel in der Nacht ist unendlich.
Am Morgen fahren wir weiter durch die Berge Arkadiens Richtung des kleinen Städtchens Andritsena. Der Tag ist klar, sonnig – und sehr kalt.
Die Eisfenster aus den Viehtränken stehen am Zaun und schmelzen langsam in der Sonne. Bevor wir nach Andritsena kommen, legen wir einen Zwischenstopp beim Apollontempel nahe Bassae ein. Eigentlich wollen wir ja keine alten Steine mehr anschauen, diese sind allerdings so gut verpackt, dass sie uns neugierig machen. Es sieht aus, als ob Christo und Jeanne hier waren…
Auch die monumentalen Befestigungen aus Stahl und Beton sind beeindruckend, und wie all diese kultischen Bauten ist auch dieser Bau auf ganz besonders ansprechende Weise in die weite Landschaft eingefügt.
Doch auch im Innenraum staunen wir, denn nun können wir doch einmal einen Tempel in fast voller Größe bewundern. Dieser Tempel ist relativ gut erhalten, die meisten Säulen existieren noch, ebenso wie die Kapitelle und Friese sowie Teile des Mauerwerks. Als er 1765 entdeckt wurde, war er allerdings vollständig eingestürzt. Die Restauration soll bis 2030 abgeschlossen sein, dann wird wohl auch das ihn umgebende Kunstwerk abgebaut.
Weiter geht die Fahrt bis in das kleine Bergstädtchen Andritsena an der Grenze zum westlichen Arkadien, bis auf etwa 750 m schraubt sich die schmale, gut asphaltierte Straße hinauf und wieder hinab durch die hügeligen, teils begrünten, teils kargen Berge.
Schon von oberhalb kommend lädt das Dorf ein, sich umzuschauen in den engen Gassen. Wir parken Biene und spazieren durch den Ortskern mit seinen kleinen Handwerkerläden und Tavernen, Restaurants und Kafenions. Leider ist hier fast alles geschlossen, auch auf der Platia, die so einladend wirkt, ist es ruhig… es ist einfach zu kalt.
Wir beschließen nach unserem Rundgang, in einem Frühjahr oder Herbst noch einmal wiederzukommen und diesen Landstrich mit den Fahrrädern zu erkunden. Die gut befahrbaren, kaum frequentierten Straßen, die einzigartigen Aussichten, die hübschen und heimeligen Dörfer sind einfach zu einladend. Das müssen wir noch einmal bei wärmeren Temperaturen ausgiebiger erkunden!
Nach dieser Besichtigung tanken wir vor der Schlafplatzsuche noch frisches Bergwasser. Kurz darauf fällt uns zum wiederholten Male eine der zahlreichen durchlöcherten Wasserleitungen auf, dieses Mal sieht man deutlich, wo das Loch ist und wie viel Wasser verloren geht.
Am Morgen des 27. Januar werden wir erst zaghaft vom Geblöke der Schafe, dann von vielstimmigem Hundegebell endgültig geweckt. Übernachtet haben wir auf einer etwas erhöht liegenden Wiese, nicht einsehbar, aber direkt neben der Straße gelegen. Jetzt haben Schafe diese Wiese für sich eingenommen und grasen hier friedlich, während die Hunde unser Auto anbellen.
Nach dem Kaffee schlängeln wir uns durch die Viecherei wieder auf die Straße, weiter geht die Fahrt durch die Berge Arkadiens. Die Aussichten auf und über die Berge hinweg begeistern uns nach wie vor, wir können uns nicht satt daran sehen. Zum wiederholten Mal – und es soll nicht das letzte Mal heute sein – beschließen wir, im Frühjahr oder Herbst noch einmal herzukommen und diese Gegend mit den Fahrrädern zu erkunden. Dafür ist es heute nämlich bei Temperaturen unter 0 Grad eindeutig zu kalt.
Eingebettet in sanfte Hügel oder angeheftet an steile Berghänge liegen die pittoresken Dörfer da, nahezu menschenleer, wenn man hindurchfährt, und den ganzen Tag über begegnet uns kaum ein Fahrzeug. Schon von Weitem sind wir hingerissen vom Anblick des nächsten kleinen Städtchens, Stemnitsa.
Im Ort verlocken die Auslagen vieler kleiner Geschäfte mit Souvenirs, Leckereien, Backwaren und Ölen sowie eingelegten Früchten zum Kauf, allerdings sind die wenigsten geöffnet. Es gibt einen großen Dorfplatz mit Tavernen, Kafenions und Restaurants, heute liegt freilich alles wie ausgestorben, und wir laufen am freistehenden Glockenturm neben der großen Kirche sowie an kleineren Kirchlein vorbei, erklimmen zahlreiche Treppenaufgänge und schlendern durch noch mehr Gassen.
Kurz hinter der Ortschaft an der Straße nach Dimitsana starten verschiedene Wanderwege durch die tiefen Schluchten und Täler der arkadischen Berge. Hier verläuft auch der Menalon Trail, ein Fernwanderweg über 75 Kilometer. Ich nehme mir vor, beim nächsten Besuch in wärmeren Tagen in die Lousios- Schlucht zu wandern und die dortigen Klöster zu besichtigen.
Zwei oder drei Kilometer vor dem nächsten hübschen Bergdorf, Dimitsana, besuchen wir das Wasserkraft- Freilichtmuseum. Es ist das erste Museum dieser Art, das wir auf dem Peloponnes sehen, und bietet eine anschauliche und gut verständliche Ausstellung.
Klein, aber fein, zeigt es eine Walkmühle, eine Horizontal- Wassermühle, eine Gerberei, in der sehr anschaulich die einzelne Schritte der Lederbearbeitung dargestellt werden, und eine Pulvermühle. In letzterer wird gut erklärt, wie Schwarzpulver zubereitet wurde.
Nach diesem Besuch durchfahren wir Dimitsana langsam, finden in den schmalen Gassen aber keine Möglichkeit zu parken, um diesen Ort genauer zu erkunden. Ganz schön eng sind die Straßen – wir freuen uns, dass Biene nur 2,15m breit ist, sonst hätten wir sicherlich mehr Probleme gehabt, die Bergdörfer zu durchfahren.
In Langadia, einem weiteren bezaubernden Bergdorf, können wir noch einmal anhalten und parken. Beim Schlendern durch Gassen und über Treppenaufgänge entdecken wir kleine Läden und Cafés, und einige terrassierte Restaurants, in denen man bestimmt wunderbar bei wärmeren Temperaturen sitzen und speisen kann.
Während die gut ausgebauten Bergstraßen uns reizen, Rad zu fahren, ist die weitere Strecke in Richtung Olympia auf der Bundesstraße 74 nicht mehr so ansprechend. Die Berge werden zu niedrigeren Hügeln, und je näher wir Olympia und Pyrgos und damit der Westküste kommen, desto besiedelter ist das Land. Verschiedene Industrien haben hier Fuß gefasst, in den Tälern wird viel Gemüse und Obst angebaut, zahlreiche Autos und Menschen kreuzen unseren Weg. Damit einher geht auch, dass viel Müll am Straßenrand liegt. Komischerweise ist hier, in der Nähe dichter Besiedlung, und später stellen wir fest, auch an der Westküste, trotz der dichteren Bebauung und Bewirtschaftung die schlechteste Internetverbindung.
Einen angenehmen, aber feucht-kühlen Übernachtungsplatz finden wir auf einer Wiese an einem Fluss, uneinsehbar von der Straße. Nachts müssen wir noch einmal heizen, damit das Wasser im Tank nicht einfriert, und morgens ist die Welt mit Raureif überzogen. Sobald die Sonne zu Biene durchdringt, fahren wir weiter, nun wieder in wärmere Gefilde.
28. Januar
Auf das Ausgrabungsgelände in Olympia gehen wir nicht, parken nur in der Nähe und können uns ein paar Blicke über den Zaun, der das riesige Areal umgibt, nicht verkneifen. Diese bestätigen die Vorstellung, dass es sich hier – bis auf wenige Ausnahmen – um eine Ansammlung „alter Steine“ handelt, die überwiegend in dem wirklich ansprechend gestalteten Gelände sorgfältig angeordnet wurden, aber kaum mehr Bauten erkennen lassen.
Je näher wir Pyrgos kommen, desto höher steigen die Temperaturen. Schnell noch bei Lidl eingekauft, schrecklich voll hier, danach finden wir ein paar Kilometer weiter an der Küste, in Katakolo, am Hafen einen schönen Platz für zwei Nächte, Hier ist es wieder angenehme 14 Grad.
Oberhalb von Katakolo mache ich eine kleine Wanderung, entlang der Landzunge geht es auf einem Höhenzug oberhalb des Städtchens durch einen Pinienwald und auf dem Rückweg über den langen Sandstrand. An der Hafenpromenade haben einzelne Tavernen geöffnet, und wir treffen zum wiederholten Male Bärbel und Rolf, die mit ihrem „Bären“ eine ähnliche Reiseroute haben wie wir.
Am nächsten Tag fahren wir bei Dauerregen zuerst zur Burg Chlemoutsi bei Kastro – und trauen uns bei der Nässe und bei viel Wind nicht auszusteigen. In Kyllini geht es uns nicht besser, und so landen wir erst am Abend an einem einsamen Strand bei Kalogria, auf dem Parkplatz des zumindest am Wochendende geöffneten Restaurants „La Mer“. Hier können wir unbehelligt unsere letzten beiden ruhigen Nächte in Griechenland verbringen und noch eine schöne Radtour machen. Zuvor müssen wir jedoch noch das Einreiseformular für Italien ausfüllen, was uns gut zwei Stunden beschäftigt und ziemlich stresst, doch dann ist es geschafft, und wir sind zuversichtlich, dass nun nicht mehr viel schief gehen kann.
Die letzte Radtour auf dem Peloponnes führt bei sonnigen 13 Grad zunächst durch das Naturschutzgebiet Strophylia mit seinem Küstenwald, der vor Allem aus Schirmpinien besteht, und einem großen Sumpfgebiet mit vielen kleinen und größeren Lagunen.
Da es in den letzten Tagen viel geregnet hat, erstrecken sich die Lagunen nicht nur neben, sondern auch über die Fahrwege, und der Sturm der letzten Tage zwingt uns, nachdem wir die ersten gefallenen Pinien noch zuversichtlich umrunden können, zu mehreren Umwegen.
Bis zum Kap Kounoupeli fahren wir durch den Küstenwald, dann geht es über Landstraßen und Ortschaften bis nach Nea Manolada. Von hier aus erstreckt sich über die fruchtbare Ebene ein ausgedehntes Gebiet von Treibhäusern und hässlichen Wohnbauten und Läden. In den Straßen liegen Berge von Plastikmüll. Da heute Sonntag ist und offenbar nicht gearbeitet wird, stehen hunderte von Fremdarbeitern (pakistanischer? indischer? Herkunft) an den Straßen und telefonieren oder tauschen Kleidung. Vor der Ortschaft sehen wir deren Unterkünfte, die offenbar aus alten Treibhausfolien und Wellblechen zusammengebaut und an Ärmlichkeit kaum zu überbieten sind. Die Treibhaustunnel dagegen wirken nahezu luxuriös – Schilder weisen auf ein EU- Förderprogramm für ländliche Gebiete hin.
Über Lapas radeln wir bis zur nordwestlichsten Ecke, dort geht es am militärischen Sperrgebiet nicht mehr weiter. Gebannt hören wir hier einem Rudel sich nähernder Schakale zu, sie heulen wie ein Chor kleiner Kinder. Zurück geht es am steil aufragenden roten Felsmassiv mit der Festung Teichos Dymaion vorbei.
1,3 Kilometer vor unserem Stellplatz und damit vor unserem Ziel fehlt eine Brücke – Sturm und Regen haben sie weggerissen.
Es gibt keine Möglichkeit, das Gewässer mit den Fahrrädern zu überqueren, und so müssen wir mit den letzten Akku- Reserven dem Sonnenuntergang entgegen fahren – aus 1,3 werden 19 Kilometer, und aus der 45 Kilometer- Tour wird so dann doch noch eine 70 Kilometer- Tour.
31. Januar: Tschüss, Griechenland!
Vormittags kommen wir gegen 11.30 Uhr am Hafen in Patras an und laufen zum Ticketschalter, um die vorgebuchten Fährtickets abzuholen. Dort sagt man uns, dass wir neben den Ausweisen, der KFZ- Bescheinigung und dem PLF- Einreisedokument auch einen Corona-Schnelltest auf Englisch benötigen. Unseres Wissens sind die Regeln ab 1. Februar, also ab morgen, in Italien geändert, und man braucht diesen Test nicht mehr – schließlich kommen wir erst morgen früh an. Das weiß der griechische Beamte am Schalter aber nicht und schickt uns wieder weg. In den nächsten zwei Stunden suchen wir drei Apotheken in Patras auf, von denen die ersten beiden keinen Rapid- Test anbieten, die dritte dann Tests macht, uns aber keine englische Version des Ergebnisses geben kann. Inzwischen drängt die Zeit, um 14 Uhr müssen wir spätestens die Tickets abholen. Zu Essen können wir nichts mehr kaufen, glücklicherweise haben wir noch ein paar Vorräte.
Also versuchen wir unser Glück erneut mit den Testergebnissen auf Griechisch – der Beamte ist unerbittlich. Schließlich ruft Tom die deutschsprachige Vermittlerin der Fährschiff- Agentur Linos travel an, und diese kann dem Schalterbeamten offenbar klarmachen, dass wir auch ohne englischsprachige Testergebnisse mitfahren dürfen.
Nach diesem Stress dürfen wir endlich – noch pünktlich – auf die Fähre fahren und winken Griechenland beim Sonnenuntergang ein letztes Mal zu. Mehr als zwei Monate war der Peloponnes unsere Heimat, und nie haben wir schönere Landschaften gesehen und bessere Bedingungen für das freie Campen genossen. Das Land und die freundlichen Menschen haben unsere Herzen erobert.