Am Atlantik
Nachdem wir uns in Mira ein wenig umgeschaut haben, finden wir in Gafanha da Boa Hora einen sehr schönen und preiswerten Stellplatz für drei Nächte.
Zwischen den Regenschauern vertreiben wir uns die Zeit mit Strandspaziergängen und Wellen-gucken. Am 7.März macht der Regen eine Pause, so dass wir es wagen, durch die Lagunenlandschaft nach Aveiro, einige Kilometer weiter nördlich gelegen, zu radeln.
Zwischen dem Rio de Aveiro, einer sehr langen und nach Norden immer breiter werdenden Lagune, führt ein schöner Radweg bis zum Abzweig in die Stadt. Danach wird die Radelstrecke unübersichtlicher, und auf Radwegen an breiten Straßen geht es vorbei am großen Seengebiet bis in die Stadt.
Aveiro wird im Norden vom Hafen und einem großen Salinengebiet begrenzt und ist von Kanälen durchzogen. Nein, ein kleines Venedig ist es nicht, aber die farbig gestalteten Boote, ehemals Algenfischer-, heute Touristenboote, und die Hausfassaden, die etliche Jugendstilelemente, aber ebenso portugiesische Azulejos zeigen, bilden eine hübsche Kulisse mit Flair.
Viele interessante Gebäude, bunt gemischte Stilrichtungen gibt es hier, offenbar haben Architekten nicht viele Bauvorschriften zu befolgen. Der alte Bahnhof ist 1916 umgebaut und mit vielen Azulejos, die regionale Motive zeigen, geschmückt worden.
Von der Keramikindustrie, die in der Vergangenheit eine große Rolle spielte, zeugt noch die riesige Keramikfabrik und deren großer Schornstein – interessant integriert in die neue Bebauung.
Gegen den Wind geht es an der Lagune zurück zum Stellplatz, und gerade rechtzeitig vor dem nächsten Regenschauer haben wir die Fahrräder wieder aufgeladen. Die Nacht und auch der nächste Tag werden sehr stürmisch und regnerisch.
Eigentlich wollten wir an diesem wunderbar menschenleeren und langen Strandabschnitt zwischen Lagune und Meer noch Fahrrad fahren, doch das schlagen wir uns angesichts der Wetteraussichten schnell aus dem Kopf. Wir machen uns auf den Weg nach Porto, wo wir uns für 16€ / Nacht auf dem dürftig ausgestatteten und eher einem engen Stellplatz gleichenden Orbitur- Campingplatz einmieten. Egal – wir wollen ja Porto ansehen!
Porto
Der Bus 15 fährt am nächsten Tag fahrplanmäßig ab. Diese Busfahrt ist ein Erlebnis, denn der Bus ist offenbar völlig ungefedert und steinalt, die Sitze bestehen fast nur noch aus den Metallrahmen; auf den kopfsteingepflasterten Straßen und in jedem der unzähligen Schlaglöcher hat man das Gefühl, dass die Rückenwirbel brechen und die Bandscheiben zerreiben. Zudem fährt der Busfahrer so schnell durch die extrem engen Sträßchchen, dass ich sekündlich mit einem abgefahrenen Balkon oder zumindest mit einem kaputten Spiegel rechne.
Am Jardim do Morro steigen wir aus und überqueren zunächst die Metallbrücke Ponte Luis I, die über den Douro in die Altstadt hineinführt.
Wir durchwandern die Stadt, über steile Treppen und Hügel geht es hinauf und wieder hinab. Überall sind einzigartige Hausfassaden und Ensembles zu sehen. Wie viele Baustile die Stadt vereint, wie bunt Porto ist – sogar bei diesem trübem Wetter – wir sind begeistert!
Straßenkunst und alte Baukunst, Jugendstil, Klassizismus und Azuleios gibt es zu bestaunen.
Durch den Palacio da Bolsa – den Börsenpalast – nehme ich an einer interessanten Führung teil. Das Gebäude wurde im Kern 1850 fertig gestellt, die gesamte Innendekoration ist jedoch so aufwändig gestaltet, dass sie erst 1910 vollendet wurde. Wirklich ein Palast, was die Handelskammer Porto sich da geleistet hat!
Ins alte Hafenviertel Ribeira geht es über viele Treppen wieder hinunter.
Gegen Abend kommt sogar die Sonne etwas durch, und mit einem neuerem Bus geht es zurück zum Campingplatz.
Fahrt Richtung Castelo Branco
Nach langen Überlegungen verlassen wir Porto und damit den Norden Portugals etwas frustriert am 10. März. Eigentlich wollten wir durch das Douro- Tal fahren, die Hängebrücke Ponte 516 und den Nationalpark Peneda Geres erkunden, doch die Wetteraussichten lassen weder Radtouren noch Wanderungen zu: Regnen soll es, windig und kalt ist und bleibt es hier. Stattdessen beschließen wir, in das deutlich wärmere und sonnigere Südostviertel Portugals zu fahren.
Anstelle der Heizung brauchen wir südöstlich von Coimbra die Klimaanlage. Die Sonne scheint! Da wir keine Autobahn fahren, dauert die Reise ein paar Stunden. Anfangs springt jede Ampel in jedem Dorf auf Rot, bis wir gelernt haben, dass man schon an der ersten nahezu unsichtbaren „Messstelle“ unter 50km/h fahren muss, damit man bei Grün durchfahren kann. Kreisverkehre gibt es auch auf dieser Verbindung reichlich, bis wir die IC8 erreicht haben und nun zügiger nach Osten kommen.
Ziel ist das südliche Centro und später das nördliche Alentejo. Wir landen gegen Abend bei Chao de Galego und fahren in der Serra das Talhadas noch bis zum höchsten Punkt mit Aussichtsturm, nachdem wir den Kletterspot Escalada da Buraca da Moura etwas unterhalb erkundet haben.
Natürlich müssen wir den Turm noch ersteigen, bevor wir an dessen Fuß einen wunderbaren Nachtplatz finden.
Am Morgen wandere ich ein wenig durch die Serra, anschließend fahren wir hinunter ins Dorf, wo es einen schönen Stellplatz gibt, bei dem nicht nur die Nacht, sondern auch Strom, Wasser und Duschen von der Gemeinde ohne Entgeld zur Verfügung gestellt werden. Mit den liebenswerten jungen Nachbarn Stas und Helena verbringen wir den Spätnachmittag bei einem interessantem Gespräch.
Vom Dorf Chao de Galego aus können wir zum ersten Mal seit Tagen wieder eine schöne Radtour machen. Allerdings muss erst das Hinterrad meines Fahrrades geflickt werden, der Schlauch verliert Luft. Also radeln wir erst gegen 13 Uhr los.
Welch wunderbare Ruhe, autoleere Straßen und abwechslungsreiche Natur! Jetzt wird uns richtig bewusst, wie wir diese Landschaft vermisst haben im überfüllten, dicht bebauten Westen zwischen Setubal und Porto!
Warum gefällt es uns soviel besser hier als im dicht besiedelten Westen?
Es ist wärmer und sonniger als dort, wo uns diese Reise bisher hingeführt hat. Die Natur ist sehr viel abwechslungsreicher: Nur ab und zu gibt es Eukalyptusbäume, stattdessen viele Pinien, Kiefern und Laubbäume wie Korkeichen und Steineichen, ab und zu Orangen- und Zitronenbäume. Die Bäume stehen nicht dicht an dicht, sondern aufgelockert, dazwischen sind Ginsterbüsche und Erika, und viele andere blühende Büsche und Blumen gibt es hier im Osten mit ganz unterschiedlichen Grün- und Gelbtönen, dazwischen lila und weiß und rot. Es ist nicht mehr so steil, aber noch hügelig – ideal zum Radfahren. Nicht zuletzt sind es auch die Felsen, die die Landschaft interessanter machen – die großen Kullersteine kommen noch, wissen wir.
Die Straßen, auch die schmalen Wege, sind gut asphaltiert und deutlich besser befahrbar, denn Schlaglöcher und Rillen gibt es kaum. Wenig Verkehr herrscht hier, auf Kilometer sieht man kaum ein Auto. Zudem ist die Bebauung hier aufgelockert und die Dörfer und Höfe haben einen großen Abstand zueinander. Selbst die Menschen sind freundlicher als im Westen, winken und grüßen.
Über Castelo Branco reisen wir am nächsten Tag an den Rio Ponsul zum Cais Fluvial dos Lentiscais. Solch einen traumhaft ruhigen und schön gelegenen Platz hatten wir selten! Oberhalb der Flussbadestelle liegt ein Parkplatz, der zu dieser Jahreszeit weitgehend leer und verlassen ist. Zum Flussufer kann man einige Schritte hinabgehen, und das Wasser ist so warm, dass ich lange auf den Felsen sitzen und die Füße baden kann. Hinter mir am Abhang blüht es frühlingshaft, und an der Tür des Steinhauses sehe ich den ersten Gecko in diesem Jahr.
Tags darauf radeln wir nahe der spanischen Grenze und freuen uns wieder über die Einsamkeit, die guten Straßen und die offene Landschaft mit Oliven und Eichen… und über das warme Sonnenwetter.
Nach zwei Tagen am Rio Ponsul fahren wir noch einige Kilometer weiter südwärts, über Vila Vela de Rodao und Nisa zu einem Platz, den wir schon vor drei Jahren zu schätzen gelernt haben. Er liegt am Barragem Povoa e Meadas inmitten der für mich schönsten Gegend Portugals. Die portugiesische Organisation outdoor-routes.pt verwaltet neuerdings den Stellplatz am See, hat Lampen sowie ein erneuertes Waschhaus und Stromsäulen angebracht und leider auch einen Zaun. Alles für 4€ die Nacht – völlig in Ordnung, wenn es nicht extrem kompliziert wäre, sich anzumelden und hineinzugelangen. Ein freundlicher Holländer hilft uns, diese komplexe Aufgabe zu bewältigen – naja, hinein kommen wir nach einer Stunde, in der wir versuchen, den Anmelde- und Bezahlprozess zu durchlaufen, aber nicht mehr hinaus. Nach zwei Tagen Aufenthalt gelingt es mir schließlich, den Code zum Hinausfahren zu knacken – puh, Glück gehabt!
Glücklicherweise wollten wir sowieso länger bleiben! Zwei fabelhafte, unvergleichlich schöne Radtouren machen wir vom See aus. Die erste Tour folgt der Rota do megalitico nach Osten. Über rund 70 Kilometer folgen wir schmalen, sehr gut asphaltierten Straßen entlang der Wiesen und Felder mit den Riesen- Kullersteinen, die wir so lieben, den Kork- und Steineichen und Oliven.
Während der 40 Kilometer in Nähe der spanischen Grenze begegnet uns kein einziges Auto. Abseits der Wege kann man etliche Megalith- Bauten anschauen; uns reicht meistens das Staunen über die Felsen von Weitem.
Auch die Radtour nach Norden am Folgetag bei Sonne und 23 Grad führt an Riesen- Kullersteinen vorbei, über sanfte und steilere Hügel, bunt blühende noch winternasse Wiesen nach Nisa und Montalvao. Auch hier begegnen uns Fahrzeuge nur selten.
Am folgenden Sonnentag bleiben wir noch am Barragem, dann beginnt langsam unsere Heimreise.
Tolle Bilder und wie immer „zum mitfahren“ geschrieben. Portugal steht definitiv für irgendwann auf unserer Liste !
Viele Grüße, Ute und Uwe