Urlaubstage am Atlantik
Interessant beladene Fahrzeuge sehen wir auf der viel befahrenen Nationalstraße von Marrakesch nach Essaouira. Für die 160 Kilometer lange Route brauchen wir länger als gedacht. Es ist eine anstrengende Fahrt: Beim Überholen wird nicht geblinkt, überholt wird rechts oder links, Pferdefuhrwerke werden von Fahrrädern und Motorrädern überholt, die Fahrspur wird nicht eingehalten – es herrscht ein freundliches Chaos. Wenn man einmal schneller als 60km / h fahren könnte, kommt sofort eine Geschwindigkeitsbegrenzung mit Kontrolle.
Der Campingplatz „Nature Esprit“ ein paar Kilometer vor Essaouira ist wunderbar: sauber, ruhig, begrünt, mit großen, teils schattigen Stellplätzen – und dazu gibt es auch noch eine Waschmaschine, in der unsere Wäsche richtig sauber wird. Perfekt für ein paar Tage Entspannung!
Neben dem Faulenzen drehen wir eine größere Runde mit den Fahrrädern. Da Wohnmobile in Essaouira komplett verboten sind, radeln wir die zwanzig Kilometer dorthin und erkunden wir die Stadt. Ein perfektes Timing: Freitagmittag – die Fischerboote bringen ihren Fang in den Hafen. Was für ein Trubel, welches Gedränge! Dazu hört man ein Stimmengewirr, welches nur noch vom Geschrei der hunderte von Seevögeln übertönt wird – auch sie wollen vom Fang etwas abhaben.
Ein Boote nach dem anderen läuft ein, Kisten voller Fisch und Meeresgetier werden abgeladen und sofort von den Händlern weggetragen. Auf dem Kai nebenan wird der frische Fisch gleich weiterverkauft.
Der Fischereihafen wird von Festungstürmen flankiert. Von hier aus gelangen wir durch ein Tor in der Stadtmauer auf den Place Mulay el Hassan mit einer kleinen Grünanlage und etlichen Cafés und Restaurants. Hinter der niedrigen Mauer kann man das offene Meer und zur Stadt hin die dicke Mauer der Nordbastion sehen.
Durch die breiteren Gassen der Medina schlendern wir. In den kleinen Läden gibt es Obst und Gewürze, Kleidung und Stoffe und vieles andere mehr. Die Auslagen der Bekleidungsgeschäfte sind hier viel stärker auf Tourist*innen zugeschnitten als in den bisher kennen gelernten Souks. Zudem locken viele Galerien und Geschäfte lokaler Künstler und Kunsthandwerker. Etliche Häuser sind weiß-blau angestrichen und erinnern ein bisschen an Chefchaouen. In winzigen Höfen gibt es Cafés und Restaurants mit farbigem Ambiente. Hübsch ist es hier – aber mit den Fahrrädern nicht optimal zu erkunden.
Ein wenig Bewegung brauchen wir noch und radeln an der Strandpromenade entlang. Dromedare liegen am Sandstrand und warten auf Touristen, Jungen gehen der „Sonntags“- Lieblingsbeschäftigung, dem (Strand-)Fußballspielen, nach.
Nach einer wenig erfreulichen Weiterfahrt über von PKWs und Lastwagen viel befahrene Straßen genießen wir noch einen weiteren Tag auf dem Campingplatz mit Nichtstun und Lesen.
Auch die nächsten Tage verlaufen ruhig und wenig ereignisreich. Ein kleiner Umzug führt uns nach dem dringend notwenigen Großeinkauf auf einen Campingplatz nur 25 Kilometer weiter nördlich, bei dem kleinen Fischerdorf Bhaibah, direkt am Strand gelegen. Hier gefällt es uns so gut, dass wir fünf Tage bleiben. Das Rauschen der Wellen tags und nachts, Spaziergänge am Strand entlang bis Bhaibah und über einige Kilometer Sand- und Felsstrand in die entgegengesetzte Richtung, eine kleine Radtour über die Verbindungsstraße nach Norden am Atlantik entlang, ein netter Abend mit Nachbarn… viel mehr passiert nicht.
Nach fünf Nächten verabschieden wir uns von diesem herrlichen ruhigen Ort und fahren weiter nach Norden, über die R301 in Küstennähe bis Safi. Hier bewegen sich sehr viele Menschen mit Pferdekutschen fort, an den Seiten der Straße sind extrabreite Fahrspuren dafür vorgesehen.
Schon 12 Kilometer vor Safi beginnt eine ausgedehnte Chemie- und Industrieanlagen-Zone.
Oualidia
Bei Safi fahren wir auf die Autobahn A1, eine erholsame Strecke nach der Fahrt auf der immer stärker ausgefransten und buckeligen R301. Für 45 Kilometer bezahlen wir 15 MAD (1,40€) und kommen erholt in Oualidia an. Den vorletzten von 32 Stellplätzen ergattern wir auf dem großen, stark von Wohnmobilen frequentierten Parkplatz – was für ein Gegensatz zu den letzten Tagen! Nach dem Kauf eines neuen Guthabens für die SIM-Karten im am Hang etwas weiter oben gelegenen Ort laufen wir ein bisschen an der Lagune entlang zum Strand. Leider hat der Küstennebel uns bis hierhin begleitet, so dass von Weitblick keine Rede sein kann.
Umso mehr fällt auf, dass die Ferienhäuser und Hotels einstmals schick aussahen, aber leider seit dem Bau nur wenig gepflegt und ausgebessert wurden. Der beliebte Badeort für reiche Marokkaner*innen wird marode. Ebenso ist es der kurzen Strandpromenade ergangen – der Gehweg verschwindet plattenweise Richtung Abhang zur Lagune, das Geländer rostet vor sich hin. Schade!
Die Felsküste ist von den tosenden Wellen ausgespült, am Sandstrand sitzen ein paar marokkanische Familien beim freitäglichen Picknick, die Fischerboote im kleinen Fischereihafen warten auf die nächste Flut.
Neben dem Parkplatz für Wohnmobile befindet sich ein Spielgelände für Kinder, dahinter etliche Buden mit Snacks, unter anderem werden hier leckere frische Austern aus der Lagune, Oualidias Spezialität, verkauft.
Bei einer Radtour erkunden wir die Umgebung. Allerdings ist die Strecke an der riesigen Lagune in Richtung El Jadida abermals enttäuschend, da die Küstenstraße stark von LKWs befahren wird und wir immer wieder auf den ungefestigten Seitenstreifen ausweichen müssen. Die kleineren Straßen unserer Runde führen durch Steineichenwäldchen und über eine weite Ebene. Da diese Sträßchen in miserablem Zustand sind, wird der Wunsch, Mountainbikes für diese Art von Reisen zu haben, immer vordringlicher.
Mohammedia
Am 3. Februar kommen wir in Mohammedia – zwischen Casablanca und Rabat gelegen – auf dem kleinen Campingplatz Océan Bleu an, der eingezwängt zwischen mehrstöckigen Häusern am Strand nördlich der Stadt liegt. Nach einem Strandspaziergang mit Blick auf die bebaute Küste einerseits und die Felsen andererseits beschließen wir, morgen direkt weiterzufahren – hier gefällt es uns gar nicht!
In großem Bogen fahren wir auf der Autobahn um Rabat herum nach Norden. Auf der Fahrt nach Moulay Bousselham begleiten uns immer häufiger die aus Spanien bekannten Treibhäuser – hier mit Bananen bepflanzt.
Moulay Bousselham
Irritiert wegen der Anfahrt durch marode Gassen, flankiert von halbfertigen Häusern und vermüllten Ecken, landen wir am 5. Februar an der Casa Latifa, einem sehr hübsch direkt an der Lagune gelegenen Restaurant mit einigen wenigen Stellplätzen für Camper. Von hier werden Bootsfahrten mit Vogelbeobachtung über die aufgrund ihrer vielfältigen Vogelwelt unter Naturschutz stehenden Lagune angeboten. Das kommt für uns allerdings schon aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse wegen des Küstennebels und der auf Französisch oder Marokkanisch gegebenen Erklärungen nicht in Frage.
Stattdessen laufen wir vom Restaurant aus in die Stadt – und sind entsetzt. So viel Müll entlang eines etwa zwei Kilometer langen Weges – am Rande eines Naturschutzgebietes – ist nur noch abstoßend. Ähnlich vermüllt, kaputt und schmutzig ist die ganze Stadt. Hinzu kommt, dass auch die Plätze und Häuser dieser Stadt ungepflegt und in einem baulich katastrophalen Zustand sind. Bedauerlich, weil die Stadt bei entsprechender Pflege und funktionierender Müllabfuhr von der Anlage her hübsch sein könnte.
Der Blick auf den kleinen Fischerhafen in der Lagune ist ebenso schändlich wie alles andere. Natürlich kann man auf Fotos auch die Müllberge ausblenden…
Gab es vorher an manchen Orten in Marokko schon viel Müll in der Natur und in den Städten, so übertrifft die Nordatlantikküste und hier vor Allem Moulay Bousselham alles bisher Gesehene. Nach diesen Eindrücken an der nördlichen Atlantikküste haben wir keinen weiteren Bedarf, noch andere Orte hier kennen zu lernen. Da der Wetterbericht ab übermorgen kräftigen Regen mit starkem Sturm ankündigt, fällt der Entschluss, Marokko noch heute oder am nächsten Tag zu verlassen, leicht.
Adé, Marokko!
Die verbleibenden zweihundert Kilometer nach Ceuta absolviert unsere Biene mit Leichtigkeit. Auf direktem Wege geht es von Larache aus durch die grünen, mittlerweile mit kleinen gelben Blüten getupften Berge Nordmarokkos. In Tetouan bietet sich eine gänzlich andere Welt als die zuvor erlebte: Breite Straßen mit grünem Mittelstreifen aus Rasen und Blumen, Menschen, die den Müll am Rande aufpicken, und ein breiter, wasserführender Fluss durch das Tal ins Mittelmeer.
An der Grenze in Ceuta ist nur eine kurze Warteschlange vor uns, die sich allerdings, wie schon bei unserer Ankunft in Marokko, nur langsam vorwärts bewegt. Nach 90 Minuten des Wartens werden unsere Pässe und das Einfuhrticket dreimal kontrolliert – bis der Drogenhund ins Auto geschickt wird und mehrfach anschlägt. Na, wo haben wir die Drogen versteckt? Intensiv forschen die Zollbeamten nun in jeder Schublade und Ablage, während der Hund aufgeregt kratzt und bellt. In Sorge, dass die Zollbeamten die Elektronik unseres Campers auseinandernehmen – wir würden sie nicht reparieren können – stehen wir hilflos draußen und versichern, dass wir weder Haschisch noch LSD versteckt haben. Letztendlich wird der Boden des Campers mit einer Ultraschallkamera ergebnislos abgesucht. Nach einer gefühlten Ewigkeit dürfen wir alles wieder einräumen und weiterfahren. Wir rätseln: War der Hund darauf abgerichtet, auf ein bestimmtes Signal des Zolls anzuschlagen, um manche Reisende in Stress zu versetzen?
Glücklicherweise herrscht am Fährhafen wenig Betrieb, und die Fähre nach Algeciras legt in 20 Minuten ab.
Tschüss, Marokko!